Unterwegs in den Massiven von Bucegi, Leaota und Piatra Craiului
Die einzige noch halbwegs funktionierende Lampe taucht das desolate Zugabteil des Accelerat Richtung Bukarest in das schummrige Licht einer dubiosen Erotikspelunke. Der langhaarige Typ auf der anderen Seite hat inzwischen sein Buch beiseite gelegt, welchem er zuvor im letzten Dämmerlicht, ganz nah ans Fenster gerückt, ein paar Seiten abgerungen hatte, als unser Zug noch wartend im Kronstädter Bahnhof stand. Wir nähern uns der ersten Haltestelle Timisu de Sus, und draußen ist es jetzt stockdunkel. Ich hätte die Bahnfahrt hinauf ins Prahova - Tal liebend gern bei Tageslicht gemacht, doch die späte Ankunft unseres Reisebusses hat nun zur Folge, daß ich das Städtchen Busteni, Ausgangspunkt meiner diesjährigen Karpatentour, erst im Mondschein erreichen soll. Sagenhafte 34 Stunden waren wir von meiner Heimatstadt Singen unterwegs bis nach Brasov, welches von seinen Gründern, den Siebenbürger Sachsen, immer noch Kronstadt genannt wird, und zum Schluß stand es mir wirklich dermaßen oben, daß mir die schöne Fahrt durch´s Banat und durch Siebenbürgen, gelinde ausgedrückt, am Hintern vorbeiging. Man muß schon sehr viel Liebe für dieses Land hegen, wenn man solche Strapazen auf sich nimmt, denke ich bei mir. Nun, es ist bereits das dritte Mal, daß ich auf diese Weise nach Rumänien reise, und für mich gibt es wirklich mehr als nur einen guten Grund, diesem Land immer wieder mal einen Besuch abzustatten.
Um diese Uhrzeit haben sich auch die gewöhnlich den am Bahnsteig ankommenden Touristen hofierenden Vermieter und Vermieterinnen von Privatunterkünften zurückgezogen, weshalb ich mich denn auf´s Geratewohl auf die Socken mache. Da ich entlang der Hauptstraße auf Anhieb nicht fündig werde, probiere ich einfach mal eine Nebengasse, was zur Folge hat, daß ich wohl auf eine Pension stoße, deren Besitzer aber offensichtlich nicht anwesend sind, und ich schließlich sämtliche Hunde der Nachbarschaft tollwütig mache. Ich stoße auf das Hinweisschild "Hotel Silva", dem ich nun folge. Normalerweise sind für mich Hotelübernachtungen eher was für die letzte Nacht vor der Rückfahrt. Im Allgemeinen sind sie zwar immer noch preislich um einiges günstiger, als bei uns, aber dennoch teuerer und meist auch unpersönlicher, als Privatzimmer. Die Dame an der Rezeption empfängt mich freundlich, was nach meinen Erfahrungen in den ehemals staatseigenen Sterilbauten der einstigen Ostblockstaaten beileibe nicht immer selbstverständlich ist. Der Preis ist auch nicht überzogen, beinhaltet er doch Frühstück vom Buffet, d. h., ich als berüchtigter Morgenvielfraß kann reinhauen bis zum Zerbersten.
Mir wird ein Zimmer in einem der oberen Stockwerken zugewiesen. Als ich endlich einquartiert bin, trete ich vor die Balkontür, sauge die frische Luft in mich hinein, Geruchssorte Tannenwald - Kaminrauch, und blicke auf zu einem sternenumsprenkelten Beinahe - Vollmond. Menschliche Stimmen dringen vom Hoteleingang zu mir herauf, ich vernehme das Rauschen des nur wenige Meter entfernt vorbeiplätschernden Jepilor - Baches, das entfernte Bellen von ein paar Hunden, erkenne die aus der mondschummrigen Dunkelheit als tiefschwarze Shilhouetten hervortretenden Hausdächer Bustenis - endlich angekommen!
Das Prahova - Tal stellt die wichtigste Verbindung zwischen Transsilvanien und der Walachei her. Straße und Eisenbahn verknüpfen die siebenbürgische Metropole Brasov mit der Hauptstadt Bukarest. Die beiden Trassen führen, mehr oder weniger parallel nebeneinanderlaufend, durch eine eindrucksvolle Gebirgslandschaft. Busteni liegt ein gutes Stück weit hinter dem Predeal - Paß (1032 m), der traditionellen Grenze zwischen den beiden Landesteilen, und befindet sich somit schon in der Walachei. Vom Balkon aus habe ich einen wundervollen Ausblick auf das sich jenseits der Dächer des Luftkur - und Wintersportortes erhebende Baiou- Massiv, welches durch sanft gewellte, aus der Entfernung kahl wirkende Bergkuppen gekennzeichnet ist. Nach dem, wie erwartet, opulenten Frühstück trete ich mit Sack und Pack hinaus auf den Hotelparkplatz, und wende mich nun zum ersten Mal bei Tageslicht jenem Massiv zu, welchem dieses Mal mein Hauptinteresse gelten soll: Gar manchem Baltorient - Express - Passagier, der von Berlin über Prag und Budapest kommend in den frühen Morgenstunden hier eintrifft, endlich die bulgarische Schwarzmeerküste erreichen will und Rumänien bislang nur als uninteressantes Transitland abgetan hat, ist hier wohl schon beim Gähnen der nach unten geklappte Kiefer in dieser Stellung verharrt geblieben, als er der sich von Busteni aus bietenden Kulisse ansichtig wurde. Bin ich im falschen Zug? Ja, sind wir denn hier etwa in den Alpen? Steile Felswände mit messerscharfen Gipfelzacken erheben sich über dem Talgrund, einer davon auffällig mit einem riesigen Kreuz geschmückt. So präsentieren sich unserem verdutzten Zugpassagier die Ostabstürze des Bucegi - Massivs, die äußerste Bastion der Südkarpaten, welche aufgrund ihres Hochgebirgscharakters von manchen auch ehrfurchtsvoll als transsilvanische Alpen bezeichnet werden. Die vom Balkon des Hotel Silva aus überschaubaren Baiou - Berge werden bereits den Ostkarpaten zugeschlagen, denn das Prahova - Tal ist auch die geographische Schnittstelle zwischen Süd- und Ostkarpaten. Die Geologen mögen mir bitte verzeihen ob meiner dreisten Behauptungen, denn sie sehen das Bucegi - Gebirge aufgrund seiner Gesteinszusammensetzung bereits den Ostkarpaten zugehörig.
Im nahegelegenen Alimentar, so werden in Rumänien die Lebensmittelläden genannt, versorge ich mich noch schnell mit etwas Proviant, bevor ich mich endlich auf den Weg mache, der direkt hinter dem Hotel beginnt und sogleich als schmaler, mit Baumwurzeln und Steinen durchsetzter Bergpfad steil durch den Wald nach oben zieht. Zwischen zwei Felswänden konnte ich zuvor noch den tiefen Einschnitt ausmachen, durch welchen meine Aufstiegsroute führen würde: Es ist das Jepilor - Tal, dessen Bachbett zur Zeit völlig ausgetrocknet ist. Bald sind die letzten Laubbäume aus dem Waldbestand heraussortiert, und es verbleiben nur noch hochwüchsige Tannen. Auf der gegenüberliegenden Talseite eröffnet sich zwischendurch ein Ausblick auf eine Wasserfallgruppe, die Wegführung ist gelegentlich mit Drahtseilen abgesichert, besonders in der Zone oberhalb der Baumgrenze, von wo aus sich prächtige Blicke hinab ins zurückliegende, steil anziehende und scharfkantig abgegrenzte Jepilor - Tal, sowie auf Busteni, Prahova - Tal und Baiou - Berge auftun. Besonders schön sind im Oktober die Farben: nicht nur die Gelb- Rot- und Brauntöne der sich mit den tiefer gelegenen Tannenwaldbeständen vermengenden Laubwald- und Lärchenbestände, sondern auch das intensive Grün der Bergmatten, welches vom Braun bis Braunrot bereits modrig gewordener Farne, dunkelgrünen Knieholzfeldern oder den Leuchtfarben der Alpenrosensträucher durchsprenkelt wird. Mit knallroten, aber giftigen Beeren behangene Büsche bestechen grell kontrastierend im Übergang zur Baumgrenze. Das Langgras hat inzwischen eine fahlgelbe Bleichung angenommen. Eine der Charakteristiken des Bucegi sind sicherlich die das stumpfe Grau der Felsen abstufenden Grasbänder, die auf den breiter ausfallenden Terrassen auch den Wuchs des einen oder anderen Bäumchens oder gar einer Baumgruppe, aber auch dichter Buschwerke zulassen.
Daß die Aufstiegsroute ziemlich direkt unter der Seilbahn verläuft, tut deren Schönheit keinen allzu großen Abbruch. Ich bin zudem kein grundsätzlicher Seilbahngegner, aber ich bin der Meinung, daß in vielen Regionen der Alpen maßlos übertrieben wurde, und, anstatt den längst überfälligen Baustopp umzusetzen, immer noch weiter gebaut wird. Die rumänischen Karpaten bieten vorzügliche Möglichkeiten zur Entwicklung eines sanften Tourismus, der durchaus dazu geeignet wäre, den dort ansäßigen Menschen zum wirtschaftlichen Aufschwung zu verhelfen. Daß dabei in Zukunft das eine oder andere Gebiet als Erholungs- und Skigebiet auch mechanisch erschlossen werden wird, wird sicher nicht ausbleiben. Trotzdem appelliere ich hiermit an sämtliche Beteiligten, nicht die Sünden zu wiederholen, die bei der Erschließung vieler anderer Gebirgsregionen begangen wurden. Es ist sicher die noch weitgehend erhaltene Ursprünglichkeit der Natur, die erfrischende Schlichtheit der Dinge, und das Vorhandensein einer noch intakten Sitten- Lebens- und Wohnkultur, die sich vom globalisierten Einheitsbrei, der inzwischen immer mehr die Profile der verschiedenen europäischen Länder und Völker zu zerstören droht, abhebt. Eine wachsende Anzahl von Touristen nehmen gerne die Prinzipien des sogenannten sanften, oder, wenn man so will, Oekotourismus an oder machen sich auf die Suche nach Alternativen zu oft lärmenden, verbauten, oder auch versnobten Zentren des Alpentourismus.
Wenn sich weiter oben der Wegverlauf von den Drahtseilen der Teleferic entfernt, erscheint die sicher zig Menschen fassende, signalrote Gondel wie ein Spielzeug, wie sie vor dem Hintergrund einer mächtigen Felswand bergwärts schwebt. Über die Plateaukante hinaus soll sie ihre Fahrt noch ein Stück weit fortsetzen, bis sie neben dem Babele - Berghaus auf 2200 Metern die Bergstation erreicht, wo das Plateau bereits wieder zur anderen Seite ins Ialomita - Tal abfällt. Auch ich habe inzwischen die Abbruchkante erreicht. Die wettergegerbten Schindelwände der altehrwürdigen Caraiman - Hütte (2025 m) trotzen hier, nur wenige Schritte von der Abbruchkante entfernt, seit Jahrzehnten den hier oben regelmäßig durchziehenden Stürmen. Ich wende mich nach rechts, wo ein Bergpfad mit südöstlicher Ausrichtung weiter nach oben zieht. Von diesem Pfad aus läßt sich die dramatische Position der Caraiman - Hütte bestens einsehen, das steile Jepilor - Tal liegt mir jetzt zu Füßen. Nach Umrundung eines Bergsporns kommt schließlich mein erstes Zwischenziel in Sicht, das 30 Meter hohe Cruce Erorilor (Heldenkreuz), welches wohl, wie eingangs schon erwähnt, als Wahrzeichen des Prahova - Tals angesehen werden kann. Aus der Nähe wirkt es auf mich ziemlich nüchtern, wie es aus dem betongemauerten Freitreppenaufgang des mit schmucklosen Gedenkplatten ummantelten Denkmalsockels emporragt. Das aus riesigen Stahlstreben konstruierte Kreuz wurde zum Gedenken an die im 1. Weltkrieg gefallenen Soldaten errichtet. Der Stahl hierzu wurde aus den Resten der während jenes Krieges in Rumänien zerstörten Brücken verwendet. Um das Verständnis für die Bedeutung dieser Gedenkstätte zu schärfen, muß man wissen, daß im Prahova - Tal, insbesondere um den Predeal - Paß, eine der blutigsten Schlachten des gesamten Kriegsverlaufs getobt hatte.
Nachdem ich bei einer kleinen Vesperpause den fantastischen Tiefblick auf Busteni (auch das Hotel Silva ist von hier oben aus gut zu erkennen), sowie die Aussicht auf die im Osten dominierende Pyramide der Piatra Mare (Hohenstein), des Postavaru und den Muntii Baiului genossen habe, steige ich nun zum sich direkt hinter dem Kreuz erhebenden Varful Caraiman (2284 m) hinauf. Wie viele Bucegi - Gipfel, insbesondere hier, im östlichen Gebirgsteil, stellt dieser Berg jediglich eine wenig interessante Erhebung im Gelände dar. Die wahren Schönheiten dieses Massivs sind auch nicht etwa besonders hervorstechende und wohlgeformte Berggipfel, sondern eher die von einmaligen Felsformationen und schroffen Wänden gesäumten Täler, die artenreiche Flora, oder die außergewöhnliche Tierwelt ( z. B. Bär, Wolf, Luchs Adler, Gemsen). "... um so enttäuschter wird mancher Wanderer sein, wenn er den Hauptkamm erreicht hat und sich anstatt auf dem gezackten Gipfelgrat - wie eigentlich erwartet - auf einem sanften Plateau befindet, das nach Westen in ausgedehnten Wiesenhängen ins Ialomita - Tal abfällt." So läßt sich Henning Schwarz in seinem Wanderführer "Rumänische Karpaten" aus, und als ich so auf der Caraiman - Kuppe stehe und meinen Blick über die vor mir liegende Berglandschaft schweifen lasse, bin ich tatsächlich etwas enttäuscht, obwohl ich die eben zitierten Zeilen bereits zu Hause gelesen habe und auch sehr gut darüber informiert bin, wo die wahren Schönheiten des Bucegi zu entdecken sind. Es ist einfach die Tatsache, daß auch in weiterer Entfernung scheinbar nichts auf eine besondere Sensation hinweist. Schöne Berge, aber eben keine Dramatik, nichts wirklich Erhebendes. Ich hätte eigentlich erwartet, daß wenigstens der Omul, der mit 2505 Metern höchste Gipfel des Bucegi, in erhabener Weise sich emporheben würde, aber der läßt sich, von hier aus gesehen, noch nicht einmal richtig blicken. Was sofort ins Auge fällt, ist der leuchtturmähnliche Sendemast des benachbarten Costila - Gipfels. Autobahnbreite Trassen durchziehen ein wellblechförmiges Wiesengelände. Vom Ialomita Tal aus ist es für geländegängige Fahrzeuge theoretisch möglich, zum Plateau hinaufzugelangen. Die Narben in den Wiesenmatten entstanden wohl auch durch die Flut der auf dem Plateau verkehrenden Spaziergänger und Wanderer, in der Hauptsache jedoch durch die Kettenfahrzeuge des Militärs, welches hier oben in alten Zeiten ziemlich aktiv gewesen sein soll. Wenn man den einen oder anderen Ausflügler in Turnschuhen antrifft, so kann man ihm das ohne Weiteres nachsehen. Im Winter dürfte sich die schwach profilierte Geländeform aufgrund der lawinenungefährlichen Beschaffenheit auch gut für Ski - und Schneeschuhtouren eignen, vorausgesetzt, man steigt mit Hilfe der Seilbahn auf. Die harmlose Spaziergängerei hat jedoch klare Grenzen.
Ich marschiere knapp unterhalb des Costila - Gipfels vorbei, um kurz darauf die Marschrichtung statt bisher Nord nun gen Westen auszurichten, wo ich, etwas an Höhe verlierend, bald den Sattel Saua Cerbului erreiche. Dem dort stehenden Wegweiser ist der Hinweis zu entnehmen "Iarna interzis - Im Winter verboten". Wer von hier ab aus dem Sattel heraus sich nach Norden zum Omul - Gipfel begibt, betritt von nun an alpines Gelände, wo man mit Turnschuhen und ohne eine ordentliche Bergwanderausrüstung eigentlich nichts mehr zu suchen hat. Rechts unter mir ist es nun möglich, ins Valea Cerbului (Hirschtal) hinabzusehen, auf welches ich später noch eingehend zu sprechen komme. Zwischen herumziehenden Wolkenfetzen zeigen sich mir auf der anderen Talseite die erosionsgeformten Felsskulpturen der Coltii Morarului. Der Bergpfad umrundet nun praktisch den Abschluß des Hirschtales, in wenigen Minuten ist vom Weg aus der Aussichtsgipfel Varful Gavanele ersteigbar, der sich wie ein Sporn gen Süden hin reckt und somit ein exzellentes Panorama zurück über´s hinter mir liegende Plateau, hinunter in den malerischen Einschnitt des Ialomita - Tales und zum die westliche Seite des Tales begrenzenden Strunga - Kamm präsentiert. Die Gipfel des Strunga - Kammes zeigen sich gleichfalls nicht sonderlich markant, überragen aber fast durchgehend die 2000 - Meter - Marke. Sensationeller erscheint der Strunga - Kamm, wenn man ihm von Westen her ansichtig wird, worauf ich gleichfalls noch später zurückkommen werde.
Obwohl bei meinem Aufbruch und während des Aufstiegs durch´s Jepilor - Tal heute morgen noch Prachtwetter geherrscht hatte, sind zwischenzeitlich vermehrt Wolken aufgezogen und auch die Windstärke hat in dynamischem Maße zugenommen, weshalb die Aussicht nun doch etwas beeinträchtigt ist. Der Bergpfad führt um den Bucura - Gipfel (2503 m) herum. Ich weiche jedoch ein wenig vom Weg ab, um auch diesen Gipfel mitzunehmen. Als ich die Kuppe erreiche, sehe ich mich schlagartig, nahezu auf selber Höhe, der Omul - Gipfelhütte gegenübergestellt. Seit über siebzig Jahren steht diese liebenswerte, charmante Holzhütte, direkt an den aalglatten Gipfelfelsen geschmiegt, auf dieser zugigen Höhe. Sie ist die höchstgelegene Hütte der gesamten Karpaten. Inzwischen hat das gute, alte Berghaus in Gestalt einer meteorologischen Station einen Nachbarn bekommen. Ich treffe vor der Hütte auf den Mann von der Wetterwarte und zwei weitere Wanderer, die mich auf eine Gemse in etwa hundert Meter Entfernung aufmerksam machen. Die beiden Wanderer sind heute über das Malaiesti - Tal aufgestiegen und berichten, daß sie unterwegs ein gut 30 - köpfiges Gemsenrudel beobachten konnten.
Für mich ist an der Omul - Hütte noch lange nicht Feierabend. Die schon lange erträumte Übernachtung in dieser schlichten, aber urgemütlichen Bergunterkunft soll noch warten, ich habe anders geplant. Zu Fuß zu Draculas Schloß gelangen, auch das ist ein schon des Längeren gehegter Traum, den ich mir nun zu erfüllen gedenke. Ich weiß sehr wohl, daß ich damit in mancher Augen ein schon recht abgedroschenes Klischee bediene, weiß auch, daß Castelul Bran, siebenbürgisch Törzburg genannt, niemals ein Dracula - Schloß gewesen ist, trotzdem erregt dieses Phantasiespiel irgendwie die Sinne.
In westliche Richtung gehe ich nun abwärts auf einem Kammweg, der mich, würde ich ihm weiter folgen, hinauf zum Varful Scara (2422 m) führen würde. Im Sattel Saua Hornurilor (2315 m) bieten sich jedoch zwei Talabstiege an. Rechterhand, ergo nordwärts kann man ins Malaiesti - Tal absteigen, die linksseitige Alternative führt durch´s Gaura Tal bis hinunter nach Simon oder nach Bran. Ich folge der zunächst weglos durch einen steilen Wiesenhang abwärts führenden Stangenmarkierung in den Talgrund der obersten Gletscherstufe der Valea Gaura. Der weitläufige Trog dieser obersten Taletage ist bereits vom Kammweg aus gut einzusehen und lockt mit herrlich grünen Wiesen und prächtigen Felsnadeln, die aus den Flanken emporragen. Nur schade, daß das Bachbett, dessen Verlauf ich folge, ausgetrocknet ist, ansonsten ist diese Wanderung an Prächtigkeit kaum noch zu überbieten. Die Valea Gaura zählt gewiß zu den schönsten Tälern in den Karpaten. Trotz der Tatsache, daß es sich bei den Bucegitälern ausschließlich um durch eiszeitliche Gletscher geformte Gebilde handelt, findet man hier allerdings keine Bergseen, wie ich sie im Fagarasch und vor allem im Retezat angetroffen habe. Als ich weiter hinuntersteige, werde ich hellauf begeistert von den das Tal begrenzenden Felswänden, insbesondere die dramatisch - schönen Formen, die sich rechterhand, also auf der Nordseite bieten. Herrliche Felskeile ragen aus symmetrisch gebildeten Wandstufen, das abendliche Licht tut noch das Seine dazu, um mich vollends in Euphorie zu bringen. Hier endlich fühle ich mich auf der richtigen Seite des Gebirges, hier hält der Bucegi, was er verspricht, nämlich, so sind zumindest viele rumänischen Bergfreunde überzeugt, das schönste Gebirge Rumäniens zu sein. Fernab jeder Seilbahn soll ich bis hinunter nach Bran keiner Menschenseele mehr begegnen, auch fahren hier keine Plastikflaschen und ähnlicher Müll mehr herum, wie das auf der Ostseite, trotz unzähliger Verbotsschilder, leider der Fall ist. Das Tal verengt sich etwas nach unten hin, und die eine oder andere durch Drahtseile gesicherte Felsstufe sorgt für willkommene Abwechslung im Bewegungsapparat. Schließlich gelange ich zu einer Stina, so werden die Schäferalmen in Rumänien genannt. Die Stina din Gaura (1500 m) befindet sich auf einer mit Felsen gespickten und einzelnen Bäumen bestandenen, wunderschönen Wiese, hinter der bereits der Bergwald beginnt. Die Sennstationen sind übrigens um diese Jahreszeit schon verwaist, Hirten und Schafe sind bereits in die wärmeren Täler und ins Karpatenvorland hinuntergezogen, was den Vorteil mit sich bringt, daß man sich nicht mit den recht lästigen Hirtenhunden herumbalgen muß. Der Kontakt mit den Schäfern kann eine Wanderung allerdings bereichern, man sollte aber möglichst schon etwas rumänisch können. In den abgelegeneren Gegenden der Karpaten trifft man unterwegs, wenn überhaupt, oft nur auf Schafhirten oder Waldarbeiter, weshalb dann nur dieser Personenkreis für eventuelle Hilfe im Notfall in Betracht kommt.
Im Wald wird mir zunächst ein tüchtiger Gegenanstieg beschert, da ich jetzt das Tal wechsle. Folgt man ab der Stina weiterhin der Valea Gaura, würde man in die Ortschaft Simon gelangen. Ich erreiche bald die Lichtung Poiana dintre Vai ( "Wiese zwischen den Tälern"). Der Waldweg zieht sich weiterhin in die Länge, immer wieder auch mit kleineren Gegenanstiegen, bis ich erneut zu einer Wiese mit Wegweiser gelange, unterhalb derer der Forstweg am Poarta - Bach entlang zu den ersten Häuser der Ortschaft Bran führt. Zwischenzeitlich ist es spät geworden, die letzte halbe Wegstunde lege ich bereits in der Dämmerung zurück.
Ich beschließe, nicht mehr allzu weit hinunterzumarschieren, sondern die sich nächstbietende Gelegenheit einer Übernachtung am Schopf zu packen. An einer Hofeinfahrt mit einem touristischen Hinweisschild frage ich, und werde sogleich auf ein Haus verwiesen, das sich hinter dem Anwesen auf einem Hügel befindet. Ein junger Mann begleitet mich den steilen Wiesenhang hinauf, und verklickert meiner neuen Zimmerwirtin sogleich, daß ich auch etwas rumänisch könne, was diese mit Erleichterung aufnimmt. Das Haus ist neu und zeugt von einem gewissen Wohlstand, was in der Gegend des Bran - Passes nicht ungewöhnlich ist. Saubere, schöne Holzhäuser im landestypischen Ambiente sind die Markenzeichen der Siedlungen des Törzburger Hochlandes, wie die siebenbürgisch - deutsche Bezeichnung für diese Gegend lautet.
Die freundliche Zimmerwirtin tischt zum Abendessen im Hauptgang eine herrlich schmeckende, mit reichlich Brinza (Käse) angereicherte Mamaliga auf, so nennt man in Rumänien den auch in Italien bekannten Maisbrei (ital.: Polenta), genau das Richtige nach einem langen Tag in den Bergen. Reichlich 10 Stunden war ich bis hierher unterwegs, nach offiziellen Zeitangaben werden sogar um die 12 Stunden benötigt, weshalb diese Wanderung normalerweise in zwei Tagesetappen unterteilt wird, wobei man dann entweder in der Babele - oder in der Omul - Bergbaude übernachtet. Es ist nicht Jedermanns Sache, derartige Tagesetappen zu bewältigen, was von eventuellen Interessenten, die sich durch meinen Bericht inspiriert sehen, berücksichtigt werden sollte.
Vom Holzbalkon meines Zimmers aus überblicke ich am nächsten Morgen eine romatische Landidylle. Schöne Häuslein fügen sich zwischen wiesenbedecktes Hügelland und rechterhand, sensationell, die langgezogene Kette der Piatra Craiului (Königstein). Das Haus meiner Wirtsleute bietet durch seinen Standort auf der Anhöhe geniale Ausblicke. Ich hatte gestern abend die freie Zimmerwahl, und hätte ich eines der linksseitig gelegenen Zimmer genommen, so wäre mir heute Morgen die Aussicht auf den Bucegi vergönnt. Geschwind hinunter zum Frühstückstisch, ein großartiger Wandertag erwartet mich!
Eigentlich wollte ich ja noch vor meinem Wiederaufstieg ins Gebirge dem Kastell Bran einen Besuch abstatten. Meine Gastgeberin rät mir jedoch ab, als ich ihr meine vorgesehene Route erkläre, die mich durch die Valea Ciubotea zur Omul - Hütte hinaufführen soll. Der Abstecher von hier aus hinunter zur Burg würden 3 Kilometer Hin- und 3 Kilometer Rückweg bedeuten, hinzu käme noch die Zeit für die Besichtigung. Der Aufstieg durch´s Ciubotea - Tal sei lang und anstrengend, und dabei habe ich ihr noch gar nichts gesagt von meinem beabsichtigten Umweg über´s Malaiesti - Tal. Ich beschließe, den Besuch der Törzburg auf meinen letzten Tourentag zu verlegen. Sollte alles nach Plan verlaufen, dann würde ich wohl die letzte Nacht in der Curmatura - Hütte unterhalb des Königstein - Hauptkammes verbringen. Wenn ich von dort aus zeitig aufbräche, könnte ich in einer gemütlichen Wanderung über die Dörfer und Hügel des Törzburger Hochlandes bis nach Bran gelangen, und würde somit, wie gewünscht, das "Dracula - Schloß" doch noch zu Fuß erreichen.
Mein morgendlicher Weg führt zunächst die selbe Forststraße aufwärts, über die ich gestern heruntergekommen bin. Ich folge dieser diesmal jedoch ein Stück weiter aufwärts, bis zur geographischen Bezeichnung Cascada Urlatorea. Zu meiner Enttäuschung kann ich in nächster Nähe keinen Wasserfall entdecken, der Poarta - Bach fällt hier in den selben - zwar schönen, aber doch gewöhnlichen - Minikaskaden talwärts, wie weiter unten auch. Am unbesetzten Bergwachthäuschen vorbei geht es zunächst steil über einen Wiesenhang am Waldrand entlang aufwärts. Es folgt die obligatorische Durchquerung der Bergwaldzone, bis eine schöne Lichtung erreicht ist. Zwei mächtige, senkrechte Felswände riegeln hier das Tal imposant gen Süden ab. Ich gelange in ein durch großartige Felsengebilde und steile Wiesenhänge begrenztes Hochtal, auch hier ist das Bachbett ausgetrocknet. Sowohl der Blick nach vorne, als auch der Rückblick zeigen mir, daß das Ciubotea - Tal der Valea Gaura fast ebenbürtig ist. Doch während hinter mir die Sonne noch durch eine aufgelockerte Bewölkung scheint, hat sich über dem Talabschluß eine kohlrabenschwarze, fast unheimlich wirkende, Nebelsuppe breitgemacht, die bereits die oberen Bergzacken verschluckt hat. Doch noch ist mir eine Schonfrist gesetzt, denn der Pfad führt über die rechts von mir sich aufbauende, also südliche Flanke aus dem Tal heraus, scheinbar in ein Stück noch halbwegs blauen Himmel hinein. Als ich jedoch den Bergrücken erreiche, über welchen der Weg weiter aufwärts führt, pfeift mir dort gleich ein anderes Lüftlein um die Ohren. Ruckzuck fliegen die Nebelschwaden einher, ein letzter Blick durch den sich verdichtenden Schleier zurück nach Bran, die grünen Hügel und den prächtigen Königstein, dann ist es vorbei mit der schönen Aussicht. Wieder einmal schleiche ich als Pfadfinder durch dichten Nebel, und die eine oder andere Windböe legt es offenbar darauf an, mich von den Füßen nehmen zu wollen. In solchen Situationen sind die auffälligen Stangenmarkierungen eine dankbare Orientierungshilfe. Die Sturmböen halten die Nebelschwaden ständig in Bewegung, weshalb diese sich in schnellem Wechsel lichten und wieder verdichten. Die lichten Momente muß man dann ausnützen, um die nächste Markierungsstange im Gelände auszumachen, über die Grundrichtung sollte man sich allerdings im Klaren sein. Ich überschreite auf diese Weise den Scara - Gipfel (2422 m), ohne es richtig zu registrieren. Erst als der Weg entlang eines Berghanges wieder abwärts führt, wird mir klar, daß das hinter mir liegende, plateauähnliche und schwach geprägte Gelände wohl schon die Gipfelkuppe gewesen sein muß. Ich habe weder ein Gipfelkreuz noch sonst einen Hinweis, daß dieser nun erreicht ist, vorgefunden. Kann allerdings auch sein, daß mir im Nebel eine etwaige markante Anhöhe entgangen ist. Aussicht hätte ich ohnehin keine gehabt.
Kurz vor Erreichen der Saua Hornurilor lichtet sich der Nebel, und die Sonne flutet durch das direkt unter mir liegende obere Gaura - Tal. Im Sattel habe ich nun den Schnittpunkt erreicht, wo ich gestern ins Gaura - Tal hinuntergestiegen bin. Anstatt jetzt schnurstracks ostwärts dem Omul - Gipfel zuzustreben, wähle ich nun den Nordabstieg hinunter ins Malaiesti - Tal, welcher exakt in Gegenrichtung des Abstiegs zum Gaura - Tal liegt, gleichfalls aus dem Hornu - Sattel heraus. Als recht unangenehm erweist sich das Abklettern durch die steile Rinne, die gelegentlich vorhandenen Drahtseilsicherungen sind völlig unbrauchbar, da durchgerostet, aufgesplissen und teilweise aus der Verankerung gelöst. Anstatt mich eher rechts zu halten, gerate ich zu weit nach links, und um die jetzt doch etwas kniffligere Kletterstelle unfallfrei zu überwinden, muß wieder mal der schwere Tourenrucksack über Bord. Glücklicherweise geht er nicht so ab, wie damals im Fagarasch, trotzdem überschlägt er sich dreimal. Gepäcklos habe ich die Stelle rasch überwunden und meine erste Sorge gilt meiner Stirnlampe. Sie ist das einzige mitgeführte Gerät, das für einen eventuellen Schaden in Betracht käme. Mit nicht funktionierenden Lampen habe ich ja bereits unangenehme Erfahrungen gemacht, z. B. vergangenes Jahr im Retezat! Ein kurzer Test, Lampe brennt noch!
Mit dem Abstieg ins Malaiesti - Tal hat der Wind schlagartig aufgehört, und auch über diesem traumhaft schönen Hochtal scheint nun die Sonne. Ich halte einen Moment inne, nehme die urplötzliche Stille in mir auf, die jetzt nur noch durch das Krächzen zweier über mir kreisender Krähen unterbrochen wird. Kaum zu glauben, daß mir kurz zuvor noch ein ohrenbetäubender Sturm um die Ohren gefegt ist und dicke Nebelwände die Landschaft um mich herum einfach verschluckt haben.
In Busteni habe ich im Alimentar das beste Brot erstanden, das mir bisher in Rumänien untergekommen ist. Brot scheint nach meinen bisherigen Erfahrungen nicht die Stärke der Landesküche zu sein. Jenes aus Busteni aber hat große Ähnlichkeit mit einer in Italien verbreiteten, in Olivenöl gebackenen Weißbrotsorte und schmeckt auch nach Tagen immer noch herrlich frisch. Drei Knoblauchzehen lasse ich mir dazu munden, und als ich meinen Weg fortsetze, wird mir nach wenigen Minuten dermaßen hundeelend, daß ich den Rucksack ins Gras schmeiße und mich erst mal danebenfallen lasse. Ich soll später darüber aufgeklärt werden, daß Knoblauch, in Üebermaßen genossen, eine toxische Wirkung haben kann. Sollte ich hier verenden, denke ich bei mir, dann würde es nachher heißen, ein Tourist, der sich überschätzt hat, ist an Erschöpfung gestorben. Und während ich so mit dem Gedanken spiele, wie sich ein hungriges Wolfsrudel an meinen sterblichen Überresten guttun würde, wird´s schlagartig lebendig im Tal. Den ganzen lieben langen Tag war mir keine Menschenseele begegnet, doch jetzt erkenne ich, wie durch die Brina Caprelor (Gemsensteig) zwei Personen abwärts klettern. Nur wenige Minuten später vernehme ich laute Stimmen und erkenne eine 5 - 6 köpfige Gruppe, die talaufwärts in Richtung Saua Hornurilor zieht. Mir ist zwar immer noch schlecht, aber es ist doch etwas Besserung eingetreten , weshalb ich beschließe, meinen Weg fortzusetzen. Es geht jetzt wieder bergan, über den genial durch die Wand verlaufenden Gemsensteig. Bis ich auf die beiden herabsteigenden Personen treffe, eine Frau und ein Mann mittleren Alters, habe ich mich bereits wieder soweit im Griff, daß ich wieder ein frisches "Buna ziua!" ertönen lassen kann.
Die Wegführung fasziniert durch großartige Ausblicke über´s Malaiesti - Tal, über den anschließenden Bergwald und das sich zu Füßen des Gebirges weit ausdehnende Burzenland (rum.: Tara Birsei), so der Name für das nördliche Karpatenvorland rings um Brasov. Seit ich in einem Fotoband über die rumänischen Karpaten zwei eindrucksvolle Bilder von der Malaiesti - Hütte, unter anderem eines von der Einweihung durch den Siebenbürgischen Karpatenverein im Jahre 1898, gesehen habe, hat sich bei mir der Spleen festgesetzt, dort irgendwann einmal eine Nacht verbringen zu müssen. Zu meiner Enttäuschung mußte im Laufe meiner Reiseplanung feststellen, daß das gute, alte Berghaus bereits im Jahr 1997 ein Raub der Flammen wurde, ein Schicksal, das tragischerweise schon viele traditionsreiche Berghütten in den Karpaten (auch in der Slowakei) ereilt hat. Mit Wohlwollen erkenne ich von meinem luftigen Standpunkt aus, daß auf der Lichtung, wo sich die Hütte einst befand, rege Bautätigkeit herrscht. Der Rohbau der neuen Hütte steht bereits, allerdings noch ohne Dach. Das Geräusch von Hämmern und Sägen dringt zu mir herauf und ich kann Leute beim Arbeiten erkennen. Die kleinere Hütte nebenan dürfte wohl ein Salvamont - Häuschen sein. Der Standort ist tatsächlich so traumhaft, wie es das Bilderbuch mir versprach, direkt am Rande des Bergwaldes, umgeben von prächtiger Felskulisse.
Der Gemsensteig zieht nun um den Berg herum und bringt mich somit auf die Südseite des Bucegi. In der Brina Caprelor (Gemsensattel) stößt der Pfad auf den von der Lichtung La Prepeleac heraufkommenden, sogenannten Friedrich - Deubel - Weg, welcher nicht zu verwechseln ist mit dem gleichnamigen Steig durch die Westwand des Königstein. Hier muß man bei Nebel aufpassen, daß man nicht dem zunächst ausgetretenen Pfad, der weiterhin um den Berg herum führt, folgt. Ich bemerke den Fehler, als dieser immer schwächer wird und schließlich ganz verschwindet. Der Weg führt vom Sattel aus steil den Berg hinauf, was von dort aus jedoch nicht eindeutig erkennbar ist. Es folgt nun die aussichtsreiche Überschreitung des Bucsoiu - Mare - Bergrückens, der Virful Bucsoiu stellt dabei mit 2492 Metern die höchste Erhebung. Herrlich läßt sich das obere Malaiesti - Tal, dem ich nun wieder parallel folge, einsehen. Die Saua Hornurilor und das Scara - Massiv lugen unter einer düsteren, grauen Wolkenwand hervor. Linkerhand, ergo östlich, gehen steile Abstürze in weglose, verlassene Täler über. Jetzt treten auch wieder andere Wandergruppen auf den Plan, denn mein Weg führt direkt zum Kulminationspunkt des Bucegi, dem Omul - Gipfel mit seiner romantischen Übernachtungsstätte. Diesmal will ich ernst machen mit dem Übernachten in der Berghütte, aber auch die fortgeschrittene Tageszeit läßt eigentlich keine weitere Möglichkeit mehr zu. Die einzige Sorge, die mich plagt, ist die, daß heute Samstag ist, und das Wetter für nicht allzu empfindliche Gemüter doch recht akzeptabel war. Die Omul - Baude hat nur eine begrenzte Kapazität an Schlafplätzen, weshalb unter Umständen damit zu rechnen ist, daß man von dort aus auf den Weiterweg zur Babele - Hütte bzw. zur Seilbahnstation geschickt wird. Eine weitere Alternative würde die Caraiman - Hütte bieten. Sollte mich heute abend dieses Schicksal ereilen, so würde dies ein Nachtmarsch bedeuten. Ich hatte mir noch ursprünglich vorgestellt, mich notfalls mit Schlafsack und Isomatte unter´s Vordach der Hütte oder der Wetterstation zu verkriechen, doch bei den zwischenzeitlich wieder herrschenden Windstärken hätte das ein Horrorbiwak bedeutet, und das Wetter soll sich noch im Laufe der Nacht verschlimmern! Auf das Mitführen eines Zeltes habe ich diesmal verzichtet, da ich meine Tour überwiegend in Gebieten mir relativ guter Infrastruktur durchführen werde. Im schlechter erschlossenen Retezat hatte ich vergangenes Jahr 8 Tage lang das Zelt mit mir herumgeschleppt, ohne es nur einmal zu benutzen.
Ich habe Glück, die umtriebige Hüttenwirtin weist mir einen Schlafplatz in einem Vierbettzimmer zu, in dem außer mir noch ein Amerikaner untergebracht ist, der sich mir als Michael vorstellt. Unten im Aufenthaltsraum ist ganz schön was los, und die Hütte soll sich im Laufe des Abends noch bis auf den letzten Schlafplatz füllen. Während wir uns Ciorba (typisch rumänische Suppe), Ceai (Tee) und Bratkartoffeln mit Würstchen munden lassen, komme ich mit Michael in ein interessantes Gespräch. Er hat noch bis vor Kurzem für eine Hilfsorganisation in Mazedonien gearbeitet, dort unter anderem ein Projekt für sanften Tourismus in Gang gesetzt, und nimmt sich nun die Zeit, sich auf dem Balkan, einschließlich Rumänien, als Tourist umzutun. So bleiben die Themen des Abends interessant, wir philosophieren und politisieren rund um den Balkan und die alten und neuen Staaten des ehemaligen Ostblocks. Zwischendurch drehen wir kurz eine Runde um die sturmumtoste Hütte, um uns zu verinnerlichen, wie gut es wir jetzt im Inneren des warmen, gemütlichen Refugiums haben. Großes Lob gebührt der Wirtin, die es völlig allein auf die Reihe kriegt, gut 50 Gäste zufriedenzustellen. Sie kocht, macht Tee, weist Neuankömmlingen ihre Schlafplätze zu, kümmert sich um den nur sporadisch funktionierenden elektrischen Strom, wechselt kaputte Birnen aus, und, und , und...
Die Nachtruhe werden wir mit vier weiteren Personen zubringen, die beiden noch eingetroffenen rumänischen Pärchen müssen je ein Bett zu zweit teilen. Unsere neuen Mitschläfer trauen der alten, etwas marod erscheinenden Gasheizung nicht, die in der Zimmerecke vor sich hinköchelt, dort zwar nicht gerade für Saunatemperaturen sorgt, aber trotzdem ein kleines Maß an Wärme spendet. Die Hüttenwirtin schaut noch kurz rein und beruhigt die Herrschaften. Bislang ist wohl noch keiner ihrer Gäste über Nacht erstickt. Wie schön ist doch eine geruhsame Nacht im sicheren Lager, während draußen der Wind heult und Regenfontänen gegen das Fenster prasseln!
Kurz vor halb acht begebe ich mich hinunter in den Aufenthaltsraum, trete zuvor mal kurz vor die Hüttentür. Draußen tobt immer noch ein heftiger Sturm, dichter Nebel verhindert jede Sicht. Beim Frühstück ist Selbstversorgung angesagt, die Hüttenwirtin offeriert jediglich Tee oder Kaffee, und man kann bei Bedarf Kekse oder Schokolade kaufen. Michael wird heute auf meine Empfehlung hin den Weg über´s Gaura - Tal hinunter nach Bran nehmen, während mir der Ostabstieg durch die Valea Cerbului (Hirschtal) im Sinn liegt. Am Eingang treffe ich noch einen Schweizer aus dem Berner Oberland, der zusammen mit seiner Freundin per Fahrrad durch Rumänien tourt. Die Räder haben sie unten in Busteni zurückgelassen.
Ein Jammer wäre es, die Wanderung durch das Hirschtal bei Nebel machen zu müssen, gilt es doch als das prächtigste Tal auf der Ostseite des Bucegi. Doch ich habe Glück. Ähnlich wie gestern im Malaiesti - Tal, beruhigt sich zunächst der auf der Kammhöhe immer noch mit unheimlicher Wucht brausende Wind, und kurz darauf lichtet sich zum ersten Mal der Nebel, Minuten später sind dann auch die letzten Schleier vertrieben und öffnen mir eine Perspektive, die mich sogleich in ihren Bann zieht. Die imposante Wand der Costila begrenzt das Tal nach Süden hin, während es nordseitig durch die Abstürze des Morarul - Rückens, aus welchen wiederum die Coltii Morarului wie Zacken einer Krone aufragen, begrenzt wird. Die am Wegesrand in die oberste Gletscherstufe gebettete Stina kann um diese Jahreszeit ohne die Belästigung durch Hirtenhunde passiert werden. Diese Talwanderung besticht wirklich durch außerodentliche Schönheit, auch als ich die Bergwaldzone erreiche, läßt meine Begeisterung nicht nach. Der wunderschöne Pfad ist den herrlichen Waldwegen im Retezat gleichzusetzen. An einem spärlich fließenden Wasserfall, wo man erstmals wieder Gelegenheit findet, die Wasserflaschen nachzutanken, hole ich die Schweizer und ihre rumänischen Begleiter ein. Irgendwie scheint es Knatsch zu geben zwischen dem Rumänen und dessen Freundin, was die Stimmung in der Gruppe merklich drückt, sodaß ich sie weiterziehen lasse und mich noch eine Weile allein am Wasserfall entspanne. Mein Weg wäre ohnehin in eine andere Richtung gegangen, da ich nicht vorhabe, nach Busteni hinunter zu marschieren.
In nicht allzu großer Entfernung gabelt sich der Waldweg, wo man rechtshändig, bzw. geradeaus, jeweils nach Busteni gelangt. Ich jedoch wende mich nach links, also gen Norden. Es folgt ein längeres Auf und Ab durch den Wald, bis ich schließlich die Lichtung Pichetul Rosu ("Rotes Zollhaus") erreiche. Ein paar Kühe grasen friedlich auf der Wiese, wo einst der Grenzposten zwischen Transsilvanien und der Walachei stand, wie der geographische Name bereits anzeigt. Endlich bietet sich wieder was Sensationelles für´s Auge: die Nordostwände des Bucegi bäumen sich hier mächtig vor dem Betrachter auf. Mit dem in westlicher Richtung aufwärts führenden Pfad lassen sich über die Wiese von La Prepeleac das Malaiesti - Tal, sowie der Omul über den gestern von mir begangenen Friedrich - Deubel - Weg erreichen. Ich wende mich von nun an ostwärts, wo ich kurz darauf zur schön auf einer Waldlichtung gelegenen Cabana Poiana Izvoarelor ("Hütte auf der Quellwiese") eintreffe. Das rotfarbene Holzhaus ist eine Bergeinkehr von schlichter Gemütlichkeit mit rumänischen Preisen, d.h., das Angebot der reichhaltigen Speisekarte ist auch für normalsterbliche Einheimische erschwinglich. Der freundliche Junge hinter der Theke spricht ein wenig deutsch, er hat Freunde in Oldenburg. Trotzdem bestelle ich zur Übung auf rumänisch. Ein junges Ehepaar gesellt sich zu mir, wie sich herausstellt, ist der Mann Deutscher und in einer Anwaltskanzlei in Bukarest tätig. Sie sind etwas überrascht, einen Deutschen zu treffen, der auf eigene Faust im hiesigen Gebirge unterwegs ist. Sie selbst haben wegen der Arbeit bisher nicht die Zeit für einen längeren Bergaufenthalt gefunden und sie kennen sich in der Hinsicht auch nicht so aus, weshalb ich ihnen in Bezug auf Hütten, Wanderwege etc. doch mit ein paar Informationen dienlich sein kann.
Durch Wald und über offene Weiden gelange ich zur Saua Baiului (1363 m), wo ich auf einen ungeteerten Fahrweg stoße. Etwas oberhalb hat sich an einem Holzhüttchen eine Jugendgruppe breitgemacht, zwei riesige Antennenmasten ragen in die Luft und weiter vorne kann ich ein grünes Haus ausmachen. Dieses Haus und die Antennen habe ich bereits aus einer anderen Perspektive gesehen, nämlich gestern, als ich auf dem Deubel - Weg unterwegs war. Das Gelände um das Haus ist eingezäunt, denn der ganze Komplex ist eine ehemalige Kaserne. Im Inneren der Absperrung stehen weitere Häuser, alles dient nun offenbar als Jausenstation und Touristenunterkunft. Doch solange das alte Verbotsschild neben dem verlassenen Wachhäuschen prangt und der riesige Müllhaufen vor dem aus der Ferne so romantisch wirkenden grünen Haus nicht wenigstens halbwegs beseitigt ist, dürfte der Erfolg in Bezug auf länger verweilende Gäste wohl bescheiden bleiben.
Ein Stück weit geht es noch durch den Mischwald, dann erscheint vor mir eine Geländekuppe. Es handelt sich um den Virful Leuca Mica (1448 m), von dessen Graskuppe aus sich eine prächtige Aussicht auf die nordöstlichen Bucegi - Wände bietet, welche sich über einem herbstlich leuchtenden Bergwald erheben. Die dolinenähnlichen Löcher sind Granateinschläge aus dem 1. Weltkrieg. Nicht weit von hier erhebt sich ein weiterer Grasbuckel, der Virful Grecului (1432 m), dessen Hang von einer Stina belegt ist, weshalb eine geruhsame Gipfelrast während der Sennzeit wegen der dann anwesenden Hunde eventuell beeinträchtigt sein könnte. Der Virful Grecului bietet eine noch prächtigere Aussicht und seine Hänge sind mit Granattrichtern nur so übersät. Die umfassende Aussicht, die außer den Bucegi - Wänden auch einen exzellenten Überblick hinunter ins Prahova - Tal zuläßt, und in Friedenszeiten Wanderer und Naturfotografen entzückt, war während der Schlacht im Prahova - Tal aufgrund obengenannter Beschaffenheit ein schwer umkämpfter strategischer Punkt. Auch von hier aus kann man gut die südlich und östlich sich auftürmenden Massive von Postavaru (Schulerau) und Piatra Mare (Hohenstein) sehen. Im Bereich der Gipfelkuppe kann man drei gezogene Kreise von Schützengräben erkennen, die Granateinschläge müssen wohl im oberen Bereich des Berges besonders heftig gewesen sein. Die Überschreitung der beiden Hügel war der Hauptgrund für mich, diesen Umweg zu nehmen, anstatt gleich einen der Pfade hinunter nach Busteni einzuschlagen. Laut meiner Wegbeschreibung soll der Abstieg nach Azuga über eine schlecht erhaltene gelbe Markierung verlaufen. Dieser folge ich schon seit geraumer Weile, sie taucht sporadisch zusammen mit der besser erhaltenen Blaumarkierung auf. Irgendwann jedoch verschwindet Gelb und es bleibt nur noch die blaue Markierung. Der Weg tendiert jetzt immer mehr Richtung Norden, und ich ahne, daß ich, statt, wie geplant in Azuga, wohl in nördlicher gelegenen Predeal herauskommen werde. Diese Tatsache stört mich aber nicht im geringsten, denn ich habe genügend Zeit und bin auch noch bei besten Kräften, hatte ich heute doch fast nur Abstiegsmeter zurückzulegen.
Im frühen Dämmerlicht setze ich also meinen Weg fort, wobei dichter Mischwald durch aussichtsreiche Bergwiesen aufgelockert wird. Immer wieder erhasche ich einen Blick auf die Ortschaft Predeal, die mit jeder erreichten Lichtung ein Stück näher rückt. Zu guter Letzt geht mir der Pfad verloren, da ich aber durch die Baumkronen bereits ein paar Hausdächer erspähe, will ich nicht mehr weiter nach dem richtigen Weg suchen, sondern steige quer durch den Wald ab, bis ich plötzlich vor einem übermannshohen Stacheldrahtzaun stehe. Ich umgehe das Hindernis und werde sogleich von drei garstigen Hunden empfangen. Es gelingt mir, sie zu beruhigen, und über einen kleinen Holzsteg gelange ich auf einen Schotterweg, der entlang einiger nach Verwaltung oder Schule aussehender Gebäude führt. Beim Nähertreten erkenne ich kleinere Gruppen von jungen Uniformierten, die vor den eingezäunten Gebäuden schwatzend und lachend beieinanderstehen. Am Ende des Weges steht ein militärischer Wachposten an einer heruntergelassenen Schranke, die dieser, die Hand zum steifen Kasernengruß an der Kappe, für mich öffnet. Auf meine Frage, ob es weit sei bis zum Bahnhof, erhalte ich nur ein lakonisches "Nein!". Bei den so offiziell aussehenden Gebäuden handelt es sich offenbar um eine Kaserne oder eine Militärakademie, und ich habe sicher gut daran getan, den Stacheldrahtzaun im Wald, trotz Hundebedrohung, nicht zu überklettern. Unterm Ceaucescu hätten sie mir dann wahrscheinlich den Arsch weggeschossen, oder zehn Jahre wegen versuchter Spionage aufgebrummt, denke ich noch schmunzelnd beim Weitergehen.
Ich befinde mich inzwischen auf einer asphaltierten Straße, an deren Ende ich eine Kreuzung erkennen kann. Eine Passantin hat mir zwischenzeitlich bestätigt, daß ich auf dem rechten Weg zum Bahnhof bin, ich müsse allerdings noch etwa drei Kilometer zurücklegen. An der Kreuzung angekommen, bestätigt sich, was ich nach einem Blick auf die Karte vermutet habe: Die Straße, an der ich herausgekommen bin, ist jene, die von der am Nordfuß des Bucegi gelegenen Stadt Risnov (Rosenau) ins Prahova - Tal hinaufführt und kurz hinter Predeal in die Paßstraße einmündet. Somit sind die ersten Häuser von Predeal rasch erreicht, als ich der Paßstraße aufwärts folge, der Bahnhof liegt zentral. Der neben mir gluggernde Bach ist dann auch die Prahova, die nicht unweit von hier ihrer Quelle entspringt.
Die Ortschaft Predeal wirkt weniger gediegen als Busteni oder gar Sinaia. Sie verfügt aber gleichfalls über viele touristische Einrichtungen und ist als Ausgangspunkt für Wanderungen zum Postavaru , der Piatra Mare oder die Baiou - Berge geeignet. Für direkte Exkursionen in den Bucegi eignet sich der Ort aufgrund der längeren Waldanmärsche nur bedingt. Die viertelstündliche, und besonders für westliche Touristen spottbillige Zugverbindung mit den schnell erreichbaren Nachbarorten eliminiert jedoch dieses Manko. Ich könnte mir vorstellen, daß hier, wie auch in Azuga oder in dem hinter Busteni gelegenen Poiana Tapului, die Übernachtungspreise vielleicht noch etwas günstiger sind. Tiefgraue Wolken hängen zwischenzeitlich über dem Prahova - Tal. In Azuga kann man vom Zug aus die desolaten Bauten der Brauerei sehen. Der Eindruck täuscht, Azuga - Bier genießt in Rumänien großes Ansehen, und die Leuchtreklame dieser Biermarke ist überall im Lande anzutreffen.
Sinaia ist vielleicht der mondänste Ort in ganz Rumänien und mit dem gleichnamigen Kloster und der Schloßanlage Peles verfügt er über zwei außergewöhnliche Sehenswürdigkeiten. Der gesamte Ort besteht zu einem guten Teil aus Prachtvillen, die noch in K.u.K. - Zeiten gebaut wurden, und von denen jede einzelne ein Kleinod darstellt. Kopfsteingepflasterte Gassen und Treppenaufgänge führen den Berg hinauf, Bahnhof und Einkaufszeile befinden sich im Talgrund. Auch ein Heldenfriedhof, ein weiterer Tribut an die einstige Schlacht um´s Prahova - Tal, befindet sich im Stadtgebiet.
Bereits am Bahnhof bekommt der Ankömmling den Eindruck einer gewissen Noblesse. Das Bahnhofsgebäude ist im Jugendstil erbaut, wirkt sehr gepflegt, und ist mit Blumentöpfen verziert. In der am obersten Ortsrand gelegenen Cabana Schiori ("Skifahrerhütte") glaube ich, eine schlichte, preisgünstige Herberge vorzufinden, mit landestypischer Atmosphäre. So entnehme ich es jedenfalls meinem leider nicht mehr ganz aktuellen Wanderführer. Die ehemalige Cabana trägt zwischenzeitlich nur noch den Namen, der Kellner mustert mich bereits beim Eintreten von oben bis unten, im Restaurant dinieren Gäste vom Typ Neureich und Halbseiden, der Alte an der Rezeption ist unfreundlich und die Preise haben Westniveau. Tja, die Zeiten ändern sich! Ich kehre zurück in den Nieselregen und auf die inzwischen dunkel gewordene Straße, und begebe mich hinunter zum nächstbesten Haus mit dem Schild "Cazare" (Privatzimmer). Auch hier ist es nicht unbedingt billig, zumal weder Abendessen noch Frühstück geboten werden, allerdings verspüre ich auch keine weitere Lust mehr, jetzt noch länger nach einer Alternative zu suchen. Das ist eben der Nachteil, wenn man zu Fuß unterwegs ist.
Um acht Uhr früh finde ich das große Holzportal des schmucken Sinaia - Klosters noch verschlossen vor, weshalb ich gleich weiter in die Unterstadt eile, um mich dort in den Läden mit etwas Proviant einzudecken. Als ich die Pension verlassen will, ist niemand anwesend und die verfluchte Hausür läßt sich von Außen nicht schließen. Ich versuch´s mal mit Klingeln, vielleicht ist in den oberen Stockwerken jemand anwesend. Prompt öffnet sich eine Zimmertür und zwei junge Männer treten heraus. Auch sie sind offenbar Gäste des Hauses, keine Rumänen, auch meine Erklärungsversuche auf englisch werden nur nach und nach verstanden, noch dazu scheinen die beiden Herren eine harte Nacht hinter sich zu haben. Endlich schließt sich die Tür doch noch hinter mir, und ich kann meinen Wiederaufstieg ins Gebirge angehen. Dichte, graue Wolken und beständiger Nieselregen verheißen allerdings nichts Gutes für den heutigen Tag. Trotzdem lasse ich mich nicht abschrecken, auch nicht von dem oberhalb der letzten Häuser im Weg stehenden Hund, der ein markerschütterndes Jaulen ertönen läßt, als ich mich ihm nähere. In Rumänien sind Hunde oft Tag und Nacht in Rudeln unterwegs, in denen ein ständiges Gezanke herrscht. Da ist es völlig normal, daß gelegentlich ein Tier als Opfer dieser gnadenlosen Hackordnung aus dem Rudel verstoßen wird. So vermute ich es jedenfalls, das herzzerrreißende Jaulen war wohl die Klage über das Unglück der vergangenen Nacht, und als ich auftauche, folgt mir der vierbeinige Geselle sofort auf Schritt und Tritt, anerkennt mich mit dem Instinkt des Rudeltiers sozusagen als sein neuer Herr. Eine lange Zeit geht es aufwärts durch Mischwald, auf einem fast durchgehend mit Naturstein gepflasterten Weg. Inzwischen hat sich noch ein zweiter, kleinerer Hund zu uns gesellt, doch nach einer Weile gibt es Streit, der Kleinere zieht von dannen. Am Rande einer Bergwiese passieren wir die Franz - Josef - Hütte, um erneut weiter durch den Wald aufwärts zu steigen. Dann und wann komme ich bei der einen oder anderen Aussichtskanzel vorbei, wo ich zwischen umherziehenden Nebelschwaden den einen oder anderen Blick hinunter auf die naßglänzenden Dächer von Sinaia erhaschen kann.
Ich will nicht ungerecht sein, bei schönem Wetter können auch auf diesem Weg sicher prächtige Eindrücke entstehen, trotzdem kann er mit den überwältigend schönen Auf - und Abstiegen der vergangenen drei Bucegi - Tage nicht mithalten. Wir haben zwischenzeitlich die Baumgrenze überschritten, das Wetter wird zunehmend ungemütlicher. Der ständige Nieselregen hat mich schon ziemlich aufgeweicht, zu einem Temperaturabfall gesellt sich jetzt noch ein verdammt harter Wind. Ich bewundere meinen vierbeinigen Begleiter, der mir nicht von der Seite weicht und der sich nicht, wie ich, mit zusätzlichen Kleidungsstücken vor der gnadenlosen Strenge der Natur schützen kann. Bald erreichen wir die wellige Plateauhöhe. Die Tour gerät zu einem Härtetest, mit genußvollem Wandern hat das rein gar nichts mehr zu tun. Da ich mich in Bezug auf Alpinismus und Höhenbergsteigen weiter formieren will, erachte ich es als gute Übung, ja sogar für nötig, mich dann und wann einem solchen Sauwetter auszusetzen. Solche Härtetests sollte man jedoch nur entweder in bekanntem oder in "leichtem" Gelände durchführen, das Wichtigste ist, daß man sich der Situation gewachsen fühlt. Wenn man das Gefühl hat, es könnte brenzlig werden, sollte man rechtzeitig abbrechen. Das Bucegi - Plateau ist hierfür ein geeignetes Terrain, es besteht praktisch keine Absturzgefahr, und auch bei dichtestem Nebel kann man sich hier mit etwas Erfahrung weiterhin orientieren.
Der Nieselregen hat sich inzwischen in ganz feine Hagelkörner verwandelt, die wie Nadeln auf der Haut stechen, wenn sie mir mit unbarmherzigen Windböen ins Gesicht fegen. Wenn ich mich entgegen der Windrichtung drehe, muß ich meine Augen mit den Händen schützen, damit diese nicht etwa durch die scharfen Nadelstiche dieser sandfeinen Eiskörnchen Schaden davontragen.
Die Piatra - Arsa - Baude (1950 m) ist ein gesichtsloser Hotelbau, wo in Ausdauer bringender Höhenluft auf dem zwischenzeitlich schon etwas vernachlässigten Sportplatz die nationalen Sporteliten zum Training gebeten werden. Kurz vor Erreichen des Gebäudes lichtet sich für kurze Zeit der Nebel, und läßt für wenige Minuten die Sonne durchscheinen, was mir einen Freudenjodler entlockt. Es wimmelt im Inneren der Baude tatsächlich von jungen Leuten, die allesamt in Trainingsanzüge mit der Aufschrift "Romania" gekleidet sind. Die rumänische Leichtathletik - Nationalmannschaft, verrät mir der Kellner. Im Warmen und Trockenen wieder auftauend, störe ich mich nicht allzu sehr an der Tatsache, daß die Ciorba ziemlich wässerig daherkommt. Sie ist auf alle Fälle warm, und Schnitzel und Pommes Frites tragen schließlich auch noch was zu meiner Wiedererstarkung bei. Warum kriege ich eigentlich in Rumänien immer Pommes Frites serviert, wo ich mir doch was drauf einbilde, daß ich die rumänische Bezeichnung für Bratkartoffeln kenne?
Leider ist aus der vermeintlichen Wetterbesserung nichts geworden, als ich vor die Tür trete, schlägt mir der gleiche garstige Wind entgegen, der mich mitsamt seinen fiesen Hagelkörnern und feuchtkalten Nebelschwaden bereits hierherbegleitet hat. Apropos Begleitung, der Hund hat doch glatt vor der Baudentür (Schild: Hunde verboten!) auf mich gewartet und so setzen wir erneut gemeinsam den Weg fort. Nachdem wir aus dem mannshohen Knieholzfeld bei der Cabana Piatra Arsa heraustreten, geht es nun wieder über offene Flächen weiter, völlig Wind und Wetter ausgesetzt. Die Bergstation der Seilbahn und die benachbarte Cabana Babele erfüllen kaum die Wünsche des naturliebenden Bergfreundes. Auch hier lieblose, funktionelle Bauten, und in nächster Umgebung fährt reichlich Müll herum. Die Sehenswürdigkeiten hier sind durch Erosion ausgewaschene Felsskulpturen, die ihre Namen ihren Formen verdanken. Die bekanntesten sind die Sphinx und die Babele (alte Weiber).
Von nun an geht´s wieder bergab, nämlich ins Ialomita - Tal, dem größten und wichtigsten der Bucegi - Täler. Dieses riesige Trogtal gibt dem Gebirge seine typische Hufeisenform, es schneidet von Süd nach Nord tief ins Massiv hinein. Es ist außerdem bewohnt, auch eine Fahrstraße führt hindurch. Nach Süden hin öffnet sich die Valea Ialomita, am Taleingang liegt der Stausee Lacul Bolboci, nördlich befindet sich unterhalb des Gavanele - Gipfels der Talabschluß. Statt durch wilde Felswände wird das Tal durch sanfte Wiesen- und Bergwaldhänge begrenzt.
Als wir nun hinunterwandern (der Hund ist immer noch an meiner Seite), hört wieder einmal schlagartig der Wind auf zu blasen, die Wolkendecke öffnet sich und das ganze Tal wird prachtvoll von einer wonnigen Abendsonne durchleuchtet. Nach den hinter mir liegenden Stunden geht mir das jetzt besonders zu Herzen. Dunkler Tannenwald, offene Wiesen und nur wenige, zum Teil weit auseinanderliegende Gebäude sind von hier oben auszumachen. Eindeutig kann ich bereits die inzwischen zu einem Vier - Sterne - Hotel umgebaute Cabana Pestera sowie die Talstation der Seilbahn definieren, von der man sagt, daß sie schon seit Jahren ihren Service eingestellt habe. Der Abstiegsweg selbst ist durch teilweise überirdisch verlaufende Rohrleitungen verschandelt.
Kurz hinter dem Hotel Pestera (1610 m) verlasse ich den nicht asphaltierten Fahrweg für einen kleinen Abstecher zu dem romantisch hinter einem Klammausgang an die Felsen sich schmiegenden Kloster Schitul Pestera. Der Name deutet bereits darauf hin, daß sich hier in der Nähe auch eine Höhle befindet. Es ist jedoch schon spät, und ich sehe auch auf Anhieb kein genaueres Hinweisschild, weshalb ich auf den Besuch der Höhle verzichte. Leider ist das Ialomita - Tal durch viel Unrat und vor sich hinrostenden Krimskrams wie alte Wellblechdächer, Rohrleitungen oder niedergerissene Zäune arg verschmutzt, was die außergewöhnliche Schönheit, die dieses Tal eigentlich besitzt, doch etwas dämpft. Es teilt das typische Schicksal von Naturphänomenen, die einfach per Auto, Seilbahn oder sonstwie ohne große Mühe erreichbar sind, und wie man das in praktisch allen Reiseländern, die nicht zu den westlichen Industriestaaten gehören, antrifft. Ich bin sicher und zuversichtlich, daß sich im Laufe der Jahre auch in Rumänien ein verbessertes Umweltbewußtsein etablieren wird, und auch die Tourismusindustrie wird sich früher oder später genötigt sehen, in diesem Bereich zu investieren, will sie weiterhin expandieren. Wer will schon in einem 4 - Sterne Hotel mit allem Service und Komfort einen längeren Urlaub verbringen, wenn die Natur ringsrum zwar pächtig ist, und zu allen möglichen Aktivitäten einlädt, aber teilweise völlig vermüllt ist? Eigentlich ist im Ialomita - Tal alles vorhanden, was das Herz des Naturfreundes begehrt: Eine eindrucksvolle Klamm mit einem alten Kloster, eine sehenswerte Höhle, ein klarer Gebirgsbach plätschert über weite Wiesen und durch düstere Tannenwälder, da und dort entdeckt man eine abgelegene Sennstation, ringsum steigen schöne Berge empor, und das weitläufige Pfadnetz ist gut markiert.
Das Sonnenintermezzo hat übrigens nur kurze Zeit angehalten, aus Richtung Omul - Gipfel drohen bereits tiefschwarze Wolken mit erneuten Schauern. Im Zusammenspiel mit der zunehmenden Dämmerung geben sie dem ganzen Tal etwas Unheimliches, Düsteres. Mein Etappenziel ist die Padina - Baude, die sich etwa zwei Kilometer südlich des Klosters befindet. Eigentlich habe ich erwartet, daß das wilde Hunderudel, welches um die Hütte streicht, meinem treuen Begleiter den Gauraus macht. Dieser setzt sich aber ziemlich schnell durch und wird prompt akzeptiert. Vielleicht findet er hier im Ialomita - Tal ein neues Zuhause, vielleicht nimmt ihn ein Schäfer in sein Rudel auf, er ist sicher ein ungewöhnlich starker und tapferer Hund.
Die Padina - Hütte (1525 m) ist eine Herberge ganz nach meinem Geschmack, aber leider ist man dort mitten bei der Innenrenovierung. Ich solle noch etwa 500 Meter weiter talauswärts gehen, rät mir die Wirtin. Dort würde ich in der Cabana Diana auf jeden Fall eine Unterkunft finden. Die Cabana Diana ist bereits vom Hügel der Padina - Hütte aus zu sehen, ein von außen für meinen Geschmack etwas zu modern geratener Bau mit einer kleinen Pergola, welche auf Stelzen in den benachbarten Weiher hineingebaut ist. Drei zünftige Herren mit herbem Charme empfangen mich. Kaum bin ich angekommen, beginnt es wie aus Kübeln zu schütten. Noch mal Glück gehabt!
Im Inneren ist die Hütte gemütlicher, als es zunächst den Anschein hatte. Ich bin der einzige Gast, und stehe zunächst etwas verloren in dem kalten, überdimensionalen Speisesaal. Ich werde jedoch sogleich in die Küche gebeten, in der es angenehm warm und heimelig ist. Auch meine drei Gastgeber machen es sich hier gemütlich. Heute gäbe es leider keinen Strom, bedauert der Ältere, als Lichtspender müssen ein paar Kerzen herhalten. Die Begrüßungstuika muß ich aus Prinzip ausschlagen, was den Mittleren, ein kräftiger Kerl um die Dreißig, mit eindeutig bäuerlichem Einschlag, dazu veranlaßt, gleich zwei aufeinander zu kippen. Im Verlauf der nächsten zwei Stunden soll er sich noch gut die halbe Flasche allein einverleiben, ohne dabei mit der Wimper zu zucken, oder irgendwelche auffälligen Ausfallserscheinungen davonzutragen.
Ich halte die Drei zunächst für Vater und Söhne, doch auf entsprechendes Nachfragen erfahre ich, sie seien "prieteni", also Freunde, und wenn ich recht verstehe, haben sie unterm Ceaucescu zusammen als Schäfer gearbeitet, der Jüngste der Drei muß dann damals noch ein Hirtenjunge gewesen sein. Zwischendurch fängt der Gasofen Feuer, aber mit einer kleinen Löschaktion ist das Problem gleich behoben. Aufgrund der wirtschaftlichen Not ist in Rumänien die Wegwerfmentalität noch nicht in der Form eingekehrt, wie das bei uns der Fall ist. Praktisch in sämtlichen Lebensbereichen wird mit veralteten oder mangelhaft funktionierenden Geräten hantiert. "Genies beherrschen das Chaos", dieser Spruch gehört in Rumänien zum Alltag. Hier ist Improvisationsgabe, Einfallsreichtum und Geschicklichkeit gefragt, will man nicht untergehen. Es sind im Grunde die selben Zustände, die mir aus Mexiko, der Heimat meiner Frau, bekannt sind. Dort ist beispielsweise jeder Autobesitzer mehr oder weniger ein Mechaniker. Hundsalte Karossen, die bei uns schön längst auf dem Schrottplatz eingestampft wären, werden mit den abenteuerlichsten Methoden wieder und wieder zum Laufen gebracht.
Nachts, beim Toilettengang, schaue ich durch´s Fenster: sternenklarer Himmel, und es ist schweinekalt. Nach dem Frühstück nehme ich Abschied von den drei Herren vom Ialomita - Tal. Die Übernachtung bei diesen bodenständigen Kerlen kann ich wärmstens empfehlen, der Preis betrug auch gerade mal ein Drittel von dem in Sinaia. Mein vierbeiniger Freund ist nicht mehr hier, ich hoffe, er hat inzwischen irgendwo wieder Anschluß gefunden. Das Wetter könnte heute besser nicht sein, strahlender Sonnenschein von einem tiefblauen, völlig ungetrübten Himmel herab. Allerdings ist es wirklich saukalt, und ein eisiger Wind tut sein Übriges dazu.
Mein Aufstieg erfolgt auf der westlichen Kammseite, wo sich die Saua Strunga befindet. Diese trennt den nach Norden hin auf den Omul zulaufenden Strunga - Kamm vom südwärts sich langsam absenkenden Deleanu Tatarul. Aus diesem Bergsattel heraus werde ich das Bucegi - Massiv verlassen und einen neuen Gebirgsabschnitt erreichen, das wenig bekannte und schwach erschlossene Leota - Gebirge. Hier existiert nur eine Schutzhütte, deren Erreichbarkeit von meiner Position aus etwa 8 bis 9 Stunden erfordern würde, was in etwa dem Zeitaufwand entspricht, den ich benötige, wenn ich den Durchmarsch über den Nordkamm des Massivs bis hinunter in die Ortschaft Podu Dimbovitei angehe. Von der Leota - Hütte aus müßte ich dann am folgenden Tag abermals mindestens 8-9 Stunden Marschzeit veranschlagen, um von dort aus nach Podu Dimbovitei zu gelangen. Dies ist aber nicht der Grund, warum ich die Variante über die Cabana Leota nicht mache, denn es wäre für mich durchaus reizvoll, das Leota - Gebirge, in dem ich ja noch nie zuvor war, genauer kennenzulernen. Vielmehr tut mich die Frage um, ob die Hütte überhaupt noch geöffnet ist. Ich kann nicht erwarten, nochmals das selbe Glück zu haben wie vergangenes Jahr an der Buta - Hütte (Retezat), als ich dort zusammen mit meinen ungarischen Freunden einen offenen Winterraum vorfand.
Der Virful Tatarului befindet sich mit seinem nach ihm benannten Kamm noch im Bucegi, und bei der Annäherung aus nördlicher Richtung kann er mit einer abrupt herunterbrechenden Westflanke durchaus imponieren, sein Rücken zieht im Gegensatz dazu wenig steil als Wiesenhang zum Gipfelpunkt hinauf. In der Saua Bucsa habe ich endgültig das Leota - Gebirge erreicht. Der Virful Tatarul büßt hier einiges an Ausdruckskraft ein, während die abstürzende Felsmauer des Strunga - Kammes, besonders aus dieser Nähe betrachtet, das in vielen Büchern oft hervorgehobenen Erscheinungsbild des Bucegi als eine von drei Seiten uneinnehmbar erscheinende Trutzburg in beispielhafter Weise widerspiegelt. Vorwärts gleitet mein Blick hinüber zur Piatra Craiului (Königstein). Der gesamte Kamm ist von hier aus überschaubar. Wie ein scharf gezacktes Sägeblatt hebt er sich aus dem Hügelland um den Bran - Paß (Törzburger Hochland) heraus. Aber auch die malerische Mittelgebirgslandschaft des Törzburger Hochlandes sucht an Schönheit ihresgleichen: Im gesamten Gebiet ragen zahlreiche Felswände auf, denn außer romantischen Dörfern und saftigen Schafsweiden findet man hier unten eine große Anzahl an interessanten Schluchten und Klammen. Besonders die Umgebung von Podu Dimbovitei ist ein wahres El Dorado für Schluchtenenthusiasten.
In völlig problemlosen auf- und Abstiegen nehme ich nun eine Gipfelkuppe nach der anderen. Die Markierung läuft meist um diese Kuppen herum, es gibt allerdings keinen driftigen Grund, auf die aussichtsreichen Überschreitungen zu verzichten. Wenngleich das Leota - Massiv kaum hochalpine Prägung besitzt, so ist die Wanderung über seine Graskuppen durch außergewöhnlich schöne Panoramen gekennzeichnet. Je mehr ich Richtung Westen vordringe, desto näher rücken die Kalkfelsen des Königstein, während ich mich von den großartigen Ostabbrüchen des Bucegi immer mehr entferne. Zu meiner Linken gräbt sich nun die Valea Neagra ("Schwarzes Tal") tief ins Gebirge ein. Dieses Tal macht seinem Namen alle Ehre, da es von dunklen, dichten Fichtenwäldern bestanden ist. Im Kontrast hierzu warten die Waldbestände des Törzburger Hochlandes zu meiner Rechten mit reichlich bunten Farbflecken auf, da die dortigen Fichtenbestände mit Lärchen und farbenfrohen Laubwäldern durchsetzt sind. Und während auf der Törzburger Seite sich zahlreiche Siedlungen zwischen die Hügel schmiegen, kann ich unten in der Valea Neagra jediglich zwei oder drei Schäferstationen ausmachen. In südöstlicher Richtung ragt die Leota - Spitze (2133 m) als höchste Erhebung aus dem gleichnamigen Massiv heraus. Obwohl das Leota - Gebirge, was seine alpine Ausprägung anbelangt, dem Bucegi und dem Königstein hinterhersteht, ist seine Flächenausdehnung um einiges größer, als die beiden zweitgenannten zusammen. Bären gäbe es hier auch viele, hatten mir die drei Herren vom Ialomita - Tal auf mein Anfragen hin erklärt, aber vor allen Dingen Wölfe. Daß so ein weitgehend unberührter, großflächiger Naturraum Platz für diese Tiere bietet, kann ich mir gut vorstellen. Ich leide dennoch nicht unter der Wahnvorstellung, von solchen Raubtieren aufgelauert zu werden, denn, wie gesagt, hier ist doch genügend Platz für uns alle und der Mensch steht im Allgemeinen nicht auf dem Speiseplan dieser Tiergattungen. Trotzdem kann es selbstverständlich unter unglücklichen Umständen zu eventuell gefährlichen Zusammentreffen zwischen Mensch und Bär kommen, besonders dann, wenn ein Muttertier mit dem Nachwuchs unterwegs ist. Von den Wölfen ist indes wenig zu befürchten, es sei denn, sie sind an Tollwut erkrankt, oder sie sind im Hochwinter völlig ausgehungert.
In einer Einsattelung finde ich eine kleine Sitzgelegenheit aus quergelegten Baumstämmen mit einem einfachen Holztischchen. Die Feuerstelle bezeugt, daß hier wohl auch gerne genächtigt wird. Hier treffe ich wieder auf Wandermarkierung. Das blaue Band müßte meiner Ansicht nach zur Leota - Spitze führen, während die Rotbandmarkierung für meinen Weiterweg von Bedeutung sein dürfte. Überhalb des Sattels zieht der Bergwald nun zum ersten mal komplett über den Kamm hinweg. Meiner Vermutung nach dürfte es sich bei dem bewaldeten Gipfel um die Sintilia Mare handeln. Bis hierher stimmen die Angaben meiner mitgeführten Wegbeschreibung mir den geographischen Verhältnissen überein. Als ich der Markierung weiterhin folge, zieht diese jedoch immer mehr bergab, und mir schwant schon Übles. Sicher, ich könnte jetzt kehrt machen, und die Gegebenheiten nochmals überprüfen. Ich muß aber auch an die Uhrzeit denken, und vor allem an die Tatsache, daß ich kein Zelt mit mir führe. Die heute von mir in Angriff genommene Etappe wird gewöhnlicherweise in zwei Tagesmärsche unterteilt, d.h. mit Zeltübernachtung auf dem Kamm, wo es ein paar sehr nette Biwakplätze gibt. Am empfehlenswertesten dürfte eine Nächtigung im Umkreis des Gipfels Duda Mare (1904 m) sein, wo in etwa die Hälfte der Gesamtetappe zurückgelegt ist, da dort, außer guten Zeltmöglichkeiten, auch frisches Quellwasser zur Verfügung steht.
Von der Höhe aus konnte ich vorhin eine kleine Ortschaft erspähen, und ich ahne nun, daß mich der immer weiter abwärts führende Weg wohl dorthin bringen wird. Tatsächlich gelange ich nach einem längeren bergab durch den Wald zu den Häusern eines Weilers. Am Ortseingang stoße ich auf ein Schild mit dem Hinweis "Fundata". Dieser Ortsname ist mir aus meiner mitgeführten Skizze geläufig. Anstatt mir die Skizze nochmals genauer anzuschauen, überfliege ich diese nur mit einem schnellen Blick und ich folge nun schnurstracks jener Markierung, die mich über einen bergaufwärts führenden, ungeteerten Fahrweg tatsächlich dorthin bringt. Unterwegs treffe ich Bauersfrauen, die zu Fuß unterwegs sind, ein alter Mann steuert sein Pferdefuhrwerk durch holprige Schlaglöcher. Als ich das Straßendorf Fundata erreiche, nehme ich mir schließlich mehr Zeit, mich anhand meiner Skizzen neu zu orientieren und stelle fest, daß es nicht unbedingt günstig für mich war, hierher zu marschieren.
Immer noch will ich an meinem Plan festhalten, Podu Dumbovitei zu erreichen. Laut Skizze dürfte es sich bei der kleinen Bauernsiedlung, die ich nach meinem Abstieg erreicht habe, um die Ortschaft Fundatica handeln, von wo aus Podu Dumbovitei über einen Wanderweg erreichbar gewesen wäre. Wie weit der Weg und wieviel Zeit dafür nötig gewesen wäre, läßt sich schwer sagen, da meine Skizze nicht maßstabgetreu ist. Jedenfalls scheint es wohl so zu sein, daß von Fundata aus nur der Weg entlang der Straße bleibt. Am Ortsende schockiert mich das Schild mit der Aufschrift "Podu Dumbovitei - 13 km"! Sicher könnte ich jetzt von mehreren Alternativmöglichkeiten Gebrauch machen, wie z.B. hier in Fundata zu übernachten, und tags darauf den nächstmöglichen Bus nach Podu Dumbovitei zu nehmen, oder aber zu trampen (was ich eigentlich nur im Notfall tue). Ich folge jedoch der Straße, und zwar in der Hoffnung, von dieser aus eine mögliche Abzweigung eines Wanderweges zu meinem Ziel zu finden.
Manchmal gleichen sich Ereignisse in frappierender Weise. Während meiner Reise im Spätherbst 2001 in die slowakische Tatra war ich nach Überschreitung des westlichsten Kammes (Sivy Vrch, Radove Skaly) der Zapadne Tatry (Westtatra) an einer Paßstraße herausgekommen, der ich über mehrere Kilometer zu Fuß gefolgt war, um die nächstgelegene Ortschaft zu erreichen. In meinem Erlebnisbericht liest sich das folgendermaßen: "Obwohl ich solcherlei Teermarschierereien normalerweise hasse, muß ich eingestehen, daß sich das rechts von mir ausbreitende Hügelland mit seinen zivilistaionsfernen Dörfern wirklich beeindruckt.... .... diese Landschaft erinnert mich an das Törzburger Hochland in Rumänien...". Es handelte sich übrigens um das Orava - Hochland, welches, genauso wie die Törzburger Gegend, als schwach besiedeltes, von der Landwirtschaft genutztes, mittelgebirgsähnliches Hügelland zwischen zwei Bergmassiven eingebettet ist.
Nach wenigen Kilometern erreiche ich die Siedlung Giuvala, welche, typisch für die Dörfer dieser Gegend, einen relativ wohlhabenden Eindruck macht. Zahlreiche Bewohner bieten hier an Straßenständen die Spezialitäten der Region feil. Dicke Käselaiber, saftige Schinken und Speckschwarten, sowie Erfrischungsgetränke werden feilgeboten. Eine perfekte Idylle in herrlichster Landschaft läßt mich beinahe den Frust darüber vergessen, daß ich nun schon mehrere Kilometer auf verhaßtem Asphalt zurückgelegt habe, von den stinkenden Abgasen der vorüberziehenden Fahrzeuge angeblasen, und von auf Hochtouren drehenden Motoren der bergauf keuchenden LKWs angebrüllt.
Die Landschaft erinnert fast ein wenig ans Berner Oberland. Wohlgenährte Kühe weiden auf saftigen Wiesen, schöne, rurale Holzhäuschen verteilen sich ober - und unterhalb der Paßstraße über die steilen Hänge, deren sattes Grün von einer golden scheinenden Spätnachmittagssonne durchflutet werden. Ein holpriger Fahrweg zieht in das tief einschneidende Tal hinunter und verschwindet hinter den letzten Häusern in ewig dunklen Tannenwald. Laut meiner Skizze müßte dieser Weg zurück nach Fundatica führen. Es wäre somit die geschicktere und wohl auch schönere Lösung gewesen, wenn ich von dort aus gleich diesen Weg eingeschlagen hätte, anstatt nach Fundata zu gehen.
Ich beschließe, mir eine Übernachtung zu suchen, um dann darüber zu sinnieren, wie es morgen weitergehen soll. Einer der Straßenverkäufer empfiehlt mir, zu diesem Zweck der Straße noch etwa weitere zwei Kilometer aufwärts zu folgen, wo sich ein Hotel, ein Hüttendorf und eine Pension befänden. Nun, auf die zwei Kilometer soll es heute auch nicht mehr ankommen und schließlich und endlich erreiche ich die touristischen Einrichtungen, die sich direkt in einer Kurve befinden. Ein junger Mann, der vor dem Hotel den Hof fegt, verweist mich auf die Pension, Hotel und Hüttendorf sind angeblich geschlossen. Während letztere Gebäude ganz offensichtlich noch aus der sozialistischen Aera stammen, befindet sich die mit einem Restaurant ausgestattete Pension in einem neuen Gebäude, das, außen wie innen mit viel Holz verkleidet, durchaus ansprechend ist. Ich bin der einzige Gast. Die Übernachtung ist nicht unbedingt billig, auch der Verkehrslärm dringt bis ins Zimmer, aber was will man machen! Als Entschädigung bietet sich vom Balkon aus ein sagenhafter Blick hinüber zum Königstein.
Heute soll es mir ähnlich wie dem heiligen Franz von Assisi ergehen. Ich soll jedoch nicht die Vögel, dafür aber die Rumänen verstehen. Es beginnt mit dem Gespräch, daß ich nach dem Frühstück mit den beiden Frauen der Pension, vermutlich Mutter und Tochter, führe. Bislang war es immer so, daß ich zwar verstanden wurde, wenn jedoch die Antwort auf rumänisch erfolgte, setzte bei mir meistens ein Blackout ein.
Nach dem Prachttag von gestern hätte ich für heute noch eine Zugabe erwartet, doch ich werde enttäuscht. Die Spitzen des Königstein bleiben bereits in den frühen Morgenstunden von einer dichten, dunkelgrauen Wolkendecke verschluckt. Über Nacht hat es geregnet und es ist weiterhin kalt. Etwa sechs Kilometer trennen mich noch von der Ortschaft Podu Dumbovitei, und frisch erholt und zu neuen Taten bereit beschließe ich, den Rest der Straßenetappe eben auch noch per Pedes durchzuziehen. Ich kürze die Serpentinen teilweise über die Hänge ab, und nach einer knappen Stunde habe ich den Ortsrand erreicht. Ich gehe an der Einmündung des Wanderweges vorüber, über welchen ich laut meinem ursprünglichen Plan hier hätte eintreffen sollen, und eine kurze Zorneswallung kann ich mir hierbei nicht verkneifen. Zahlreiche Skulpturen mit meist nationalen Darstellungen finden sich am Straßenrand, wie z.B. eine Tanzgruppe, oder drakische Krieger. Podu Dumbovitei brilliert durch eine exzellente Lage in einem nahezu kreisrunden Talkessel. Es ist ein wohlhabender Ort mit schönen Häusern und einem sehenswerten Dorfkirchlein. Von hier aus lassen sich Exkursionen durch verschiedene Schluchten angehen, was einen mehrtägigen Aufenthalt hier durchaus rechtfertigen würde.
In etwa Ortsmitte stoße ich auf eine Brücke, die Namensgeberin von Podu Dumbovitei ("Brücke über die Dumbovita"). Unmittelbar vor der Brücke biege ich rechts in eine Nebenstraße ein, der ich aufwärts folge, bis sich hinter den letzten Häusern die riesigen Felswände der Cheile Dumbovitoara wie ein riesiges Tor vor mir auftun. Durch diese wirklich eindrucksvolle Klamm führt eine teilweise betonierte Fahrstraße, denn in etwa der Schluchtmitte befindet sich die Ortschaft Dumbovitoara. Besonders imponierend erheben sich die Felswände im Bereich des Schluchteinganges. Neben dem Weg gluggert der Seaca - Pietrelor -Bach, wunderschöne Auen klemmen sich zwischen den Bach und den Fahrweg. Viele Feuerstellen, aber auch ein erhöhtes Müllaufkommen zeugen von der Beliebtheit der Schlucht als Picknick- und Campingplatz für Wochenendausflügler.
Dumbovitoara erscheint mir als faszinierend weltvergessener Ort, eigentlich nichts ungewöhnliches im ländlichen Rumänien. Außergewöhnlich ist aber sicher die Lage inmitten der Schlucht, durch welche diese romantische Ansiedlung auch nur zu erreichen ist. Im Bereich der Ortschaft machen die schroffen Schluchtenwände steilen Hängen Platz, kurz hinter dem Ort kann man die Dumboviciora - Höhle besichtigen, dann umschließen einem bald wieder steile Felswände. Bevor ich mein Zwischenziel, die Cabana Brusturet, erreiche, passiere ich abermals eine Häuseransammlung, ansonsten begegnet man hin und wieder der einen oder anderen einzelstehenden Domäne oder einem Restaurant, bis schließlich nach 8 Kilometern von Podu Dumbovitei aus die Brusturet - Hütte erreicht ist, welche aus einem Haupthaus, einem Restaurant und mehreren Ferienhütten besteht. Man kann von hier aus noch weiter dem Schluchtenweg folgen, ich aber beabsichtige, in das Massiv der Piatra Craiului (Königstein) aufzusteigen. Die wetterlichen Bedingungen sind zugegebenermaßen herzlich wenig zum Bergwandern geeignet, und die zahlreichen gesprächsfreudigen Leute, denen ich unterwegs begegnet war, haben mir allesamt abgeraten, heute noch in den Königstein zu gehen.
Leider ist die Brusturet - Hütte geschlossen, weshalb ich, anstatt mit einem warmen Menü im Restaurant mit einer schlichten Vesper auf der kalten Picknickbank vorlieb nehmen muß. Im Sitzen beginne ich bald zu frösteln, weshalb ein rascher Wiederaufbruch angesagt ist. Immer noch hängen tiefliegende, graue Wolken wie eine finstere Bedrohung über mir und seit den frühen Morgenstunden versucht ein beständiger Nieselregen, mich langsam, aber sicher aufzuweichen. Der vom Hüttenwirt zurückgelassene Schäferhund reagiert gelassen auf meine Anwesenheit. Erst, als eine Gruppe von Waldarbeitern mit ihrem Fahrzeug auf dem Plan erscheint, beginnt er zu tillen. Auch die Waldarbeiter schütteln verständnislos die Köpfe, als ich ihnen mein Vorhaben unterbreite.
Die Aufstiegsroute beginnt unmittelbar gegenüber der Cabana, hinter den kleinen Holzhütten, und zieht als wurzeldurchzogener Gratweg steil duirch den Wald aufwärts. Ich möchte den Hauptkamm im Funduri -Paß (1889 m) erreichen, und von dort aus die südliche Grathälfte bis in den Grind - Sattel begehen, von welchem ich dann wohl zu einer Zwischenübernachtung zum gleichnamigen Refugium absteigen werde. Als ich meine Fagarasch - Tour vor drei Jahren am Fuße der Königstein - Westwand beendete, war ich von dort aus über den abenteuerlichen Deubel - Weg in den Grindsattel hinaufgeklettert und dem Grat nach Norden bis in den Curmatura - Sattel gefolgt. Ich war damals nur einen Tag lang im Königstein, aber diesmal habe ich die Absicht, die gesamte Länge des Massives zu nehmen, einschließlich der am Nordende durch eine Scharte vom Hauptmassiv abgetrennten Piatra Mica (kleiner Königstein). Dadurch, daß ich in Podu Dumbovitei den Schluchtenweg gewählt habe, entgeht mir allerdings der exakte Anfang. Puristen gehen also bereits in Podu Dumbovitei die Königsteinroute an. Von dort aus ist es nämlich auch möglich, über einen laut Literatur nicht markierten Steig der Schneide des Königstein von Beginn an zu folgen. Allerdings erfordert dies auch einen langen Waldmarsch, bis sich das Massiv endlich mal richtig über die Baumgrenze erhebt. Ab der Saua Funduri jedoch ist bei gutem Wetter eine uneingeschränkte Aussicht gewährleistet, während man über die wilden Felszacken dieses Kalkmassivs von Gipfel zu Gipfel turnt.
Irgendwie bin ich heute nicht so gut drauf, mir scheint, ich habe leichtes Fieber. In Rumänien geht zur Zeit die Grippe um, und ich fürchte, mich irgendwo angesteckt zu haben. Ich erreiche eine Lichtung , auf der sich die Fundata - Schäferalm befindet. Hier erhebt sich die Königstein - Kette in prächtiger Erhabenheit vor dem Betrachter. Dieser Eindruck übermittelt sich auch mir, obgleich die Bergspitzen immer noch durch eine wüste Wolkendecke abgeschnitten sind. Auf dem ganzen Weg bin ich hin - un hergerissen von den zwei sich mir bietenden Möglichkeiten, den Wandertag fortzusetzen: entweder tatsächlich in diese Suppe hinaufzusteigen, oder aber dem am Kammfuß veralufenden Weg in Richtung Grind - Hütte zu folgen und das Unternehmen morgen mit genügend Zeit und hoffentlich besserem Wetter anzugehen. Oft schon habe ich mich in solchen Situationen für die riskantere Variante entschieden, manchmal auch für die mir subjektiv erscheinende vernünftigere. Ich bin mit meinen Intuitionen bislang immer gut gefahren, und als ich die Abzwiegung, welche hinauf zum Funduri - Paß führen würde, erreiche, sagt mir meine innere Stimme: "Geh´nicht hoch!", und somit sind die Würfel für heute gefallen: Ich schlage den Weg zum Refugiu Grind ein. Durch schönen Wald geht es hierfür aufwärts, bis ich auf eine Wiese hinaustrete, wo der Weg steil aufwärts zieht, weiter oben blinkt in roter Signalfarbe das ersehnte Refugium. Zwischenzeitlich ist, bedingt durch die erneut gewonnene Höhe, der Regen in Schneefall übergegangen.
Die Grind - Schutzhütte ist eine einfache Bergunterkunft mit spartanischer, aber praktischer Einrichtung. Eine zweistöckige Liegepritsche bietet Schlafplätze für etwa 8 bis 10 Personen (Schlafsack ist natürlich selbst mitzuführen!). Ein Kanonenofen sorgt für Wärme und Kochgelegenheit, ein kleines Tischchen mit einfachen Holzbänken ist für höchstens 5 bis 6 Personen gut. Die stabilen Blechwände halten stärksten Stürmen Stand, und somit dürfte jeder Wanderer sich glücklich schätzen, hier drinnen untergekommen zu sein, wenn draußen mal wieder richtig die Hölle los ist.
Meine Vorgänger haben Brot und Wasser in der Hütte zurückgelassen. Letzteres ist ein wichtiger Faktor bei der Königstein - Begehung, da man auf der Kammhöhe (Karst!) keines findet. Irgendwie haut´s mit dem Anfeuern des Ofens nicht richtig hin. Was soll´s, zur Mahlzeitbereitung führe ich meinen Esbit - Kocher mit, und wenn´s mich wirklich zu sehr frieren sollte, vergrabe ich mich halt in meinen Schlafsack. Da ohnhin nicht allzuviel Holz gebunkert ist, ist es sicher besser, dieses für Nachfolgende zurückzulassen , die vielleicht unter noch härteren Bedingungen hier eintreffen, und dann über einen ausreichenden Holzvorrat froh sind.
Kurz nach dem Essen geht´s dann los: Ich schaffe es gerade noch, die Klopapierrolle aus dem Rucksack zu ziehen und vor die Türe zu rennen. Die Magenkrämpfe, von denen ich unterwegs bereits geplagt wurde, hatten es schon angekündigt: Dünnpfiff, wird wohl ´ne aufkeimende Darmgrippe sein, denke ich, ein schöner Schlußakkord auf meiner diesjährigen Karpatenfahrt! Die grüne Wiese vor der Hüttentüre ist zwischenzeitlich weiß geworden, welches ich jetzt mit ordinärem Braun bedüngere. Ein Unglück kommt selten allein, und so nimmt eine harte Windböe meine neben mir blödsinnigerweise im Schnee abgelegte Toilettenpapierrolle mit sich. Oh Jemminee, Dünnpfiff ohne Klopapier, nicht auszudenken! Mit heruntergelassenen Hosen stürze ich der Rolle hinterher, die in rasender Geschwindigkeit den Berg hinunterrollt, und sich hierbei abwickelt. Gott sei Dank, ich kann das Ding gerade noch einfangen, raffe schnell das abgewickelte Papier zusammen und begebe mich eiligst zurück in die windsichere Hütte. Ich soll im Laufe der Nacht noch mehrere Male wegen erhöhter Darmtätigkeit vor die Hüttentür getrieben werden, wobei ich jedesmal die Rolle umklammere wie eine Mutter ihr Junges.
Zum Frühstück bereite ich mir eine doppelte Portion Nudeleintopf, die ich jedoch appetitlos in mich hineiwürge. Immer noch fühle ich mich unwohl, und das Wetter draußen scheint auch nicht vielversprechend. Großartig ist dennoch der Ausblick durch das Hüttenfenster hinüber zu den westlichen Bucegi - Wänden, und über die zwischen dem Siedlungsgebiet des Törzburger Hochlandes und dem Königstein sich einfügende Mittelgebirgskette. Beim Anblick dieser weit sich ausdehnenden, weiß angeschneiten Waldhügel wird mir bewußt, wie weit ich wohl von der nächsten Ortschaft entfernt sein muß. Obwohl die Situation diesen grandiosen Ausblick zuläßt, hängt immer noch eine undurchdringlich scheinende, tiefgraue Wolkendecke über´m Land, die Königstein - Spitzen bleiben weiterhin abgeschnitten. Draußen regiert eine grimmige Kälte und wüste Windböen verheißen nichts Gutes. Bis ich zusammengepackt habe und abmarschbereit bin, ist die Umgebung eingenebelt und es schneit wieder. Als ich vor die Hüttentür trete, nimmt mich eine beinharte, eiskalte Windbö schier von den Füßen. Der Entschluß ist schnell und spontan gefaßt: Königstein ade, diesmal gebe ich auf!
Aufgeben? Nicht ganz, denn rasch ist ein alternativer Plan gefaßt, nämlich die Erforschung des "unbekannten" Königstein. Hierzu werde ich zum Funduri - Paß aufsteigen und über den nicht markierten Teil des Königstein - Kammes nach Podu Dumbovitei zurückkehren. Ich nehme hierzu den gestern gegangenen Pfad abwärts bis zur ersten Wegekreuzung, wo ich in östlicher Richtung erneut auf die Schäferei stoße. Dort treffe ich einen alten Mann, der mir wieder einmal von meinem Vorhaben abrät. Wir gehen ein Stück weit zusammen, bis wir auf eine Gruppe von Waldarbeitern treffen. Auch bei ihnen finde ich wenig Verständnis für mein Vorhaben. Ich solle lieber nach Dumbovitoara hinuntergehen, und mir dort eine Mitfahrmöglichkeit in die nächsten Straßenortschaften wie Podu Dumbovitei oder Ruca suchen. "Von dort kannst du nach Brasov oder nach Bukarest! Viel schöner als dort oben, dort schneit es und es ist kalt!" war die einhellige Meinung. Ich schlage dennoch den Weg zum Funduri - Paß ein. Über steile Wiesenhänge führt die Stangenmarkierung aufwärts, in meinem Zustand recht mühevoll. Oben auf der Kammhöhe legt der ohnhin schon kräftige Wind nochmals zu, und ich finde mich in einem wilden Schneetreiben. Zur Westseite bricht der Grat senkrecht ab, wie ich das von der letzten Königsteintour her kenne. Ein faszinierendes Bild bieten die von wild umherfliegenden Schneeflocken umblasenen Felsnasen - und Türme, deren Aschgrau auf der Windseite mit feinem Weiß bestäubt ist. Unten im Tal schlängelt sich eine ungeteerte Forststraße durch den unendlich dichten Wald. Nur ein einziges Haus ist unten auszumachen, es dürfte sich hierbei wohl um die Cabana Garofita handeln. Die Ausläufer des Jezer - Papusa - Gebirges greifen wie Krakenarme in das weit ausladende Tal. Nordöstlich beginnt, oder endet, wenn man will, der Fagarasch, das höchste Gebirgsmassiv Rumäniens. Von dort war ich auf meiner ersten Rumänien - Reise gekommen, war im Bereich der Plaiul - Foii - Hütte in das unter mir liegende Waldtal abgestiegen, um in der letzten Etappe schließlich noch auf die Königstein - Höhen wiederaufzusteigen, wobei sich mir damals ein ähnliches Bild bot wie hier und heute: die Fagarasch - Ausläufer, die Forststraße, und mitten im undurchdringlich scheinenden Wald wie ein entlegenes Hexenhaus die Cabana Plaiul Foii.
Überraschenderweise finde ich in Südrichtung doch eine Markierung, die allerdings nur als ein dann und wann auf einen Stein oder einen Felsen gekleckster roter Pfeil erscheint. Im bereits leicht verschneiten Gelände ist der Pfad nicht allzu gut auszumachen, ich orientiere mich somit immer wieder am Kaummverlauf. Dabei überschreite ich auch den einen oder anderen Gipfel, gleich zu Beginn den La Arsuri, der sich mit 1896 Metern zwar über die Waldgrenze erhebt, aber dennoch deutlich niedriger ist, als die Gipfel im zentralen Kamm. Gelegentlich kämpfe ich mich durch Dickicht, treffe aber immer wieder auf Pfadspuren oder finde einen roten Pfeil. Auf dem Pietricia - Gipfel (1764 m) hält es mich wegen der unbarmherzigen Windböen nicht lange, es soll der letzte Aussichtspunkt vor einem äußerst unangenehmen Abstieg sein. Hinter einer großen Lichtung gelange ich noch mehr oder weniger auf dem Pfad zur Stina Pietricia, wo mir an der Holzwand der Sennerei ein letztes Mal der rote Pfeil begegnet. Ungefähr ab hier verliert sich die bislang klar verlaufene Kammlinie in mehreren Ausläufern, und durch Absinken des Höhenniveaus unter die Waldgrenze ist es auch vorbei mit der Übersicht. Ich folge einem engen Bachtal abwärts, und weiß, daß ich nun den richtigen Weg endgültig verloren habe. Die immer wieder neue Suche nach roten Pfeilen und Pfadspuren ist ziemlich zeitraubend, und ich muß schauen, daß ich irgendwie wieder herunterkomme, denn schließlich hält das Tageslicht, besonders um diese Jahreszeit, nicht unbegrenzt lange. Der Abstieg gerät zu einer Durchschlageübung, und ich verfluche unterwegs meinen Entschluß, dieses Unternehmen noch angegangen zu sein. Wie ein versprengter Montagnard kämpfe ich mich durch äußerst unbequemes Gelände abwärts, gerate immer wieder in schier undurchdringliches Unterholz, Zweige peitschen mein Gesicht, lassen eiskalten Schnee in meinen Nacken hineinrieseln, Buschwerk und Äste zerkratzen mir die Haut und zerren gemein an meinem Rucksack. Körperlich fühle ich mich beschissen und mir ist auch mental nicht allzu wohl. Hoffentlich findet mein unkontrollierter Abstieg nicht noch ein jähes Ende über einer steil abstürzenden Felswand. Auch die "Bärenangst" steigt jetzt in mir auf. Abseits aller Pfade, mitten im schier undurchdringlichen Bergwald, das ist der Lebensraum des Karpatenbären, der wohl durch ein Zusammentreffen mit mir sicher genauso erschreckt wäre wie ich, allerdings ist er der Stärkere, und die Bibel hat er leider auch nie gelesen!
Als ich mitten im Gehölz eine leere Platikflasche finde, bin ich gottfroh über diese Spur menschlicher Präsenz, doch es dauert immer noch eine gute Weile, bis ich zwischen Busch- und Baumwerk eine grüne Fläche ausmache. Diese entpuppt sich als Wiesenhang, unterhalb dessen ein Forstweg verläuft, und nur wenige Meter weiter unten stehe ich vor der geschlossenen Cabana Pietricia. Ich bin unendlich erleichtert, trotzdem werde ich wohl noch einige Kilometer zurücklegen müssen, um die nächste Ortschaft zu erreichen. Ich folge dem schönen Talweg entlang eines Baches, bis ich schließlich auf eine Gruppe von Waldarbeitern treffe. Diese schockieren mich zunächst mit einer unfrohen Botschaft: Bis zum nächsten Dorf seien es noch etwa 12 Kilometer. Allerdings würde ich nach wenigen Kilometern schon auf eine Hütte treffen, die zur Übernachtung geöffnet hätte, folgen die erleichternden Worte. Mein mitgeführtes Kartenwerk, das ohnehin dürftig ist, deckt den Bereich, in dem ich mich jetzt aufhalte, nicht mehr ab, ich befinde mich quasi im Blindflug. Immer weiter führt der durch die Fahrzeuge der Waldarbeiter wüst aufgewühlte Fahrweg bergab. An manchen Stellen versinke ich bis weit über die Knöchel im Morast. Schließlich kann ich durch die Baumwipfel hindurch bereits von Weitem ein Gebäude ausmachen, welches mir bestens bekannt ist. Der aggressiv bellende Hofhund beruhigt sich sofort, als ich auf ihn einrede. Auch er scheint mich jetzt wiederzuerkennen. Daß die Cabana Brusturit immer noch geschlossen ist, stört mich nicht weiter. Ich weiß jetzt endlich wieder, wo ich bin und daß mir zahlreiche Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen werden, die ich problemlos noch bei Tageslicht erreichen kann. Meine Wahl fällt auf ein Anwesen am Ortseingang der Siedlung, welche sich ein paar Kilometer vor Dumbovitoara befindet.
Ein altes Mütterchen nimmt mich am Hoftor in Empfang. Leider haben die beiden alten Leute weder Dusche noch Badewanne, und für den Toilettengang muß ich mich zum entsprechenden Häuslein auf dem Hof hinaus bemühen, dafür werde ich mit unverfälschter rumänischer Gastfreundlichkeit aufgenommen, und der Übernachtungspreis ist niedrig. Ein Teller mit verschiedenen Käseprodukten, Spiegeleier, eine warme Milch und eine Kanne voll Kamillentee (Tribut an meinen Dünnpfiff!) werden mir aufgetischt. Man habe leider nichts anderes, da man heute nicht mit Gästen gerechnet habe, beteuert die alte Frau. Ich bin sehr dankbar über diese Gaben, obwohl ich eigentlich keinen Hunger habe und diese schwere Kost vielleicht nicht unbedingt für die momentane Verfassung meines Verdauungsapparates geeignet ist. Trotzdem muß ich, um wieder zu Kräften zu kommen, was essen, und ich zwinge somit appetitlos einen Großteil des Gebrachten in mich hinein, den Rest werde ich morgen zum Frühstück verspeisen. Sprichwörtlich noch vor den Hennen begebe ich mich zur Bettruhe, ertrinke in der durchgelegenen Matratze des uralten Himmelbetts und kuschle mich unter die bleischwere, warme Decke, welche die Tatsache, daß das Zimmer nicht beheizt ist, bedeutungslos werden läßt. Klopapierrolle und Stirnlampe deponiere ich griffbereit neben meinem Schlafgemach. Die gut 13 Stunden Schlaf werden nur durch zwei Toilettengänge unterbrochen, die Laktate haben sich überraschend gut mit meinen Verdauungssäften vertragen.
Das fiebrige Gefühl ist zwar am nächsten Morgen verflogen, nicht jedoch die Magen - Darmkrämpfe. Die Erkrankungsursache rührt wohl von meinem allzu leichtfertigen Umgang mit dem Wasser. Gelegentlich habe ich mich nämlich mit Wasser aus dem Hahn bedient, so auch, als ich vor dem Abmarsch aus der Pension bei Podu Dumbovitei meine Wasserflasche auf diese Weise wieder aufgefüllt hatte. Beim Abschied von den alten Leuten muß ich förmlich darauf bestehen, das Essen extra zu bezahlen. Dafür muß ich aber einen Sack Äpfel mit auf den Weg nehmen. "Kommen Sie bei uns vorbei, wenn Sie wieder mal hier sind!" sagt die alte Frau zum Abschied. Gerne will ich bei entsprechender Gelegenheit dieser Einladung folgen.
Ich bin überhaupt nicht bestürzt darüber, daß ich den Schluchtenweg nun ein zweites Mal innerhalb von zwei Tagen gehen muß. Gerade jetzt, in den frühen Morgenstunden, fährt hier kaum ein Auto. Ein junger Kerl, dem der Vollrausch vom Vortag noch aus den Augen glänzt, reitet auf seinem Gaul daher und krächzt ein verschlagen klingendes "Buna Dimineata!". Eines der wenigen Fahrzeuge, denen ich begegne, hupt und der Fahrer hält neben mir. Als ich vor zwei Tagen schluchtaufwärts marschiert war, war er mir bereits begegnet. Er gehörte zu einer Gruppe von Waldarbeitern, die mir, wie so viele, von meinem Gang in den Königstein abgeraten hatten. Mit den unter seinem rundlichen Hut hervorquellenden schwarzen Locken war er mir gleich als Prototyp eines Bilderbuchrumänen erschienen, was ungefähr der Vorstellung mancher Amerikaner oder Japaner gleichkommen dürfte, die in einem mit Gamsbichel und Lederhosen bekleideten Urbayer den typischen Deutschen zu erkennen glauben. Den Hut von vorgestern hat er immer noch auf, heute jedoch trägt er statt schlichter Arbeitskluft Anzug und Krawatte, wie wenn er zur eigenen Hochzeit unterwegs wäre. Wir begrüßen uns herzlich wie zwei alte Freunde, und ich schildere ihm kurz meine Odyssee im Königstein. "Siehst du, ich hab´s dir gleich gesagt!" antwortet er lachend.
Bis Podu Dumbovitei muß ich mich noch zweimal notgedrungen ins Gebüsch schlagen. Glücklicherweise handelt es sich um einen einigermaßen kontrollierbaren Durchfall, der kleinste Streß kann jedoch zum sofortigen Toilettengang zwingen. Viel zu früh komme ich in Podu Dumbovitei an, der nächste Bus fährt erst um 1 Uhr, jetzt ist es nicht einmal 11. Ich kaufe mir eine Riesentafel Schokolade im Alimentar neben der Brücke und vertreibe die Zeit mit ein bißchen Lesen.
Die knapp 60 Kilometer lange Busfahrt nach Brasov führt über den Fundata - Paß, genau zwischen Königstein und Bucegi, in wilder Kurverei hinunter nach Bran, eine Traumstrecke, die als eine der schönsten in ganz Rumänien gilt. Die Törzburg, welche ich ja ursprünglich zu Fuß zu erreichen gedachte, zeigt sich mir nun für wenige Augenblicke, wie zum Trost, durch das Fenster unseres an der nahen Haltestelle stoppenden Busses. Sie mag wohl die bekannteste Burg Rumäniens sein, ob sie aber die schönste und eindrucksvollste ist, wage ich nicht zu behaupten. Nur wenige Kilometer weiter, bei Rysnov (Rosenau) thront weit sichtbar auf einem bewaldeten Hügel eine Burganlage, die sich mindestens genauso eindrucksvoll präsentiert, und gleichfalls bestens erhalten zu sein scheint.
Als ich bei meiner ersten Rumänienreise in Kronstadt übernachtete, konnte ich vom Fenster meines Zimmers aus über die Mauern hinweg ins Innere der Fabrikanlage des Käseherstellers Kraft spähen. Mehr zufällig als beabsichtigt, gelange ich prompt vor die Tore der Fabrik, es gelingt mir aber nicht, trotz zweimaliger Umrundung der Fabrikmauern, das Haus meines damaligen Vermieters wiederzuerkennen. Hinter dem feudalen Hotel Aro Crown befindet sich in einer unscheinbaren Nebengasse das schlichte, preisgünstige Hotel Aro Sport, in dem ich schließlich unterkomme. Ich hatte mich ja bereits bei meiner ersten Rumänienreise mit der Stadt Brasov angefreundet, und das Herumspazieren in den Straßen und Gassen der Altstadt macht mir auch diesmal wieder Spaß, trotz meiner weiterhin anhaltenden Magen - Darmkrämpfe.
Bis zur Rückfahrt tritt keine Besserung ein. Sicher hätte ich mir in Brasov ohne Weiteres in einer Apotheke ein paar Tabletten besorgen können. Mit dem Durchfall will jedoch der Körper die ihn krank machenden Bakterien ausscheiden und starke Gegenmittel heilen nicht, sondern unterbrechen nur diesen nötigen Prozeß. Alle drei Stunden hält der Bus und diese Abstände reichen in meinem Fall aus, um das Problem unter Kontrolle zu halten. Nur widerwillig lasse ich mir unterwegs von meinen besorgten Mitreisenden eine Pille aufdrängen, und nur mit der Zusage, daß es sich dabei um ein harmloses Pflanzenheilmittel handelt. Naja, Reisen fordert eben gelegentlich auch Tribute, doch woraus sind Abenteuer gemacht und sind es nicht oft die scheinbar negativen Erlebnisse, die uns jahrzehntelang in Erinnerung bleiben und mit denen wir vielleicht einmal unsere Enkel in Erstaunen versetzen werden? Und a propos Abenteuer, wer sie sucht, der begebe sich am Besten selbst nach Rumänien!
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