Samstag, 5. Mai 2007

Durch die Schluchten des Anina-Gebirges































































































































































































































































































































































































































































































































































































































































































































































































































































































































































































































Ostertour im Banater Bergland (05.04. – 14.04.2007)

Fährt man von Timisoara aus nach Süden bzw. gen Osten, so falten sich bald aus dem topfebenen pannonischen Tiefland sanft gewellte Bergwogen empor. Zwischen der Poarta Orientalis (Domasnea-Paß) im Westen, der Abgrenzung zu den alpin geprägten Südkarpaten, und dem Donaugraben im Süden breiten sich 6 Berggruppen aus, die unter der Bezeichnung "Banater Bergland" zusammengefasst sind. Im Nordosten, im Städtedreieck Lugoj – Deva –Hateg sind es die Waldkuppen der Poiana Rusca. Etwas weiter nach Südwesten vorgeschoben, zwischen Resita und Bocsa, schließt das Hügelland der Dognecea auf, dann folgen südlich von Resita das Anina-Gebirge, sowie parallel östlich - als höchster von allen - der Semenic, und schließlich ganz im Süden – bis an die aus Serbien eintreffende Donau heran – Locva und Almaj.

Der Leordis – mit 1160 Metern die höchste Erhebung im Plesiva-Bergkamm – ist gleichzeitig der höchste Gipfel der Muntii Aninei. Das Anina-Gebirge (Betonung liegt auf dem ersten A) ist somit augenscheinlich kein Ziel für alpin ambitionierte Bergsportler. Dafür befinden wir uns in den Muntii Aninei im zweitgrößten Karstgebiet Rumäniens nach den Muntii Bihor im Apuseni – Bergland. Allein im Anina-Gebirge sind laut der Höhlenforschervereinigung Exploratorii Resita zwischenzeitlich über 1200 Höhlen dokumentiert. Dolineneinbrüche aller Größen und Dimensionen findet man auf den Plateaus in Hülle und Fülle und ein gutes halbes Dutzend markanter Schluchteinschnitte tun ihr Übriges dazu, dieses auf dem ersten Blick so unbedeutend in Erscheinung tretende Gebirge zu einem Abenteuerterritorium ersten Ranges zu erheben. Hinzu kommt eine nur bescheidene touristische Erschließung. Viele Markierungen und Wege wurden seit der Revolution nicht mehr instand gehalten, und auch die Infrastruktur im Hauptort Anina/Steierdorf, sowie die der umliegenden Ausgangspunkte steckt immer noch tief in den Kinderschuhen. Aber auch die Ausdehnung an wildnishaftem Einödgebiet ist nicht zu unterschätzen. Wer beispielsweise auf dem waldreichen Plateau vom rechten Weg abkommt, und hierbei möglicherweise eine unglückliche Richtung wählt, ist schnell mal mit ein bis zwei starken Tagesmärschen dabei, bis er wieder Land sieht. Obligatorisch für ein Karstgebirge ist hier der allgegenwärtige Kalk. Durch die Wasserlöslichkeit dieser Gesteinsart bedingt finden wir im Anina-Gebirge als weitere Wunder der Natur prachtvolle Versinterungen in den Bächen und Schluchten. Wirtschaftliche Bedeutung hatte das Anina-Gebirge neben Holz- Vieh- und Landwirtschaft über Jahrhunderte hinweg hauptsächlich im Bergbau (Anina), sowie in der Stahlindustrie im gebirgsnahen Resita.

Zur Planung und Inspiration für diese Reise dienten mir die Bilder und Reisestorys von Willi, der ja schon ein paar Mal im Anina-Gebirge war (ich werde die passenden Links im Laufe des Textes einfügen), sowie Walter Kargels "Die Bergwelt Rumäniens". Zudem hatte ich mir bei meinem letztjährigen Aufenthalt in Timisoara ein interessantes und neues Buch gekauft: "Cheile Nerei si alte poteci tainice" von Marius Terchila (Editura Waldpress, Timisoara 2006). Dieses zur Zeit in allen gut sortierten Bücherläden von Timisoara erhältliche Büchlein gibt es allerdings nur auf rumänisch. Das Schöne an dem Buch ist, dass der Autor sich nicht einfach auf trockene Routenbeschreibungen beschränkt, sondern stets seine persönlichen Erlebnisse als unterhaltsamen roten Faden schildert.

*

Mehr als eine Stunde geht man zu Fuß durch ganz Resita (gesprochen:Reschitza) vom Cinema Dacia aus, wo der Zubringer des Freiburger Reisedienstes seine Haltestelle hat, bis ins Zentrum der Stadt. Mit wenig Gegenwehr kapituliere ich an der Rezeption des Hotel "Semenic" vor dem (Ausländer-) Übernachtungstarif von 39 Euro für ein Zimmer, in dem sich nicht einmal die Badezimmertüre richtig schließen lässt, und man mir eine Elektroheizung hereintragen muss, da der eigentliche Heizkörper offensichtlich nicht funktioniert. In alten Zeiten galt das Semenic als eine Luxusabsteige, wie gesagt, in alten Zeiten . . .

Die Suche nach Kartenmaterial ist Fehlanzeige. Resita lässt sich bezüglich guter Buchläden in keinster Weise mit Sibiu, Timisoara oder Brasov vergleichen. Vom Nordteil des Gebirges habe ich einen – allerdings sehr kleinen – Ausdruck aus dem Internet in der Tasche. Beim Südteil hatte die Auflösung ganz versagt. Bedingt durch den sehr kurzfristigen Entschluss, über Ostern hierher zu fahren, war meine Vorbereitung doch nicht so gründlich, wie sie eigentlich sein sollte. So ist es nun eben, da muss ich jetzt durch!

Aus meinem Minikärtchen lässt sich mit scharfen Augen entnehmen, dass ich meine Wanderung direkt hier in Resita beginnen kann. Eine Wandermarkierung rotes Band soll ihren Ausgangspunkt am Südostende der Stadt nehmen. Gut ausgeschlafen mache ich mich also nach dem Frühstück auf den Weg. Bis 9 Uhr lag ich in den Federn, und so wird´s Viertel nach 10, bis ich endlich losmarschiere. Resita hat für seine Besucher eigentlich nichts zu bieten, es sei denn, man interessiert sich für Industrialisierungsgeschichte. Die sich entlang der Hauptstraße aufreihenden Häuserfassaden, die vermutlich allesamt aus dem beginnenden letzten Jahrhundert stammen, entlarven beim genaueren Hinschauen dennoch etwas von einer alten Würde und wohl auch einstigen Ansehnlichkeit hinter ihren verrußten und abgeblätterten Verputzen. Riesige Industrieanlagen, rostige Rohrleitungen und ein Transportband quer über das Zentrum hinweg sind heute nur noch stumme Zeugen einer einstigen Emsigkeit. Heutzutage treiben einem keine schwarzen Wolken aus qualmenden Schloten die Tränen in die Augen, die glühenden Konverterbirnen mit ihrem kochenden Inhalt sind längst kalt, und auch der Rhythmus der Hammerschläge der riesigen Stahlkombinate ist verstummt. Dafür ist heute ein großer Teil der Bewohner ohne Arbeit. Ich frage mich, von was die Einwohner Resitas heutzutage denn wohl leben . . .

Ich bin ein bisschen zu früh von der Hauptstraße in eine Nebengasse abgebogen, weil ich dort einen Bachlauf gesichtet habe, und entlang eines Baches soll ja auch meine Wanderroute gehen. Eine alte Frau hilft mir weiter, und schickt mir gleich zwei Buben mit auf den Weg, denen anzusehen ist, dass nur der Respekt vor dem Alter sie willig macht, dem fremden Kauz mit seinem riesigen Rucksack auf dem Buckel den richtigen Weg zu weisen. So geht es doch noch ein gutes Stück weit hinaus bis zum eigentlichen Stadtrand. Eine geteerte Nebenstraße geht hier Richtung Süden, angeschrieben steht "Semenic". Kurzer Abgleich mit der Miniaturkarte, die Richtung stimmt, nur von der Markierung oder einem Wanderwegweiser ist weit und breit nichts zu sehen. Nach einer Weile bergan auf Teer zweigt ein unscheinbarer Pfad nach links, der sich offensichtlich oberhalb der Straße, parallel zu dieser, fortsetzt. Eine willkommene Abwechslung, bei der ich auch eine Entdeckung mache. Oberhalb des Pfades verläuft eine Trasse, ich legen den Rucksack beiseite und steige hinauf. Ein Wasserkanal, ein kleines Staubecken, und parallel zum Kanal ein Schmalspurgleis. Vermutlich verkehrten hier mal Bergbauloren. Ich gehe an einem Gehöft vorbei, wo mir ein anderes altes Mütterchen die Auskunft gibt, dass die beiden Dörfer Secu und Cuptoare eigentlich nur entlang der Straße erreichbar sind, weshalb ich besser zur nächsten Bushaltstelle gehen solle, der letzte Bus sei aber eben schon durch, bis zum nächsten könne es etwas länger dauern. Der Pfad senkt sich wieder ab, und ich setze meinen Weg auf der Straße fort. Weiter oben, noch in einiger Entfernung, kann ich aber jetzt schon die Häuser von Cuptoare erkennen. Bis dorthin ist es nicht mehr allzu weit, und der Gang auf dem wenig befahrenen Sträßchen ist gar nicht so unattraktiv. Das Örtchen Secu wird von der Straße nur tangiert, wer ins eigentliche Dorf will, muss von der Straße aus links hinunter gehen. Die Bushaltestelle befindet sich genau dort oben, hier steht auch der geparkte Bus. Vermutlich fährt er nur bis Secu, und wenn man weiter nach Cuptoare will, muss man das kurze Stück die Straße entlang gehen. Mein Blick gleitet über das malerisch ins Tälchen gezwängte Secu hinweg, und wenn ich mich gen Norden wende, dann sehe ich den bewaldeten Taleinschnitt, aus dem ich hierher heraufgewandert bin, und an dessen Ende die Fabrikschlote von Resita.

In Cuptoare findet gegenüber der Kirche ein neu herausgeputztes Magazin Mixt meine Aufmerksamkeit. Spätestens seit meiner gemeinsamen Reise mit Willi vergangenes Jahr habe auch ich diese putzigen Tante-Emma-Läden auf rumänisch als willkommene Einkehrmöglichkeit entdeckt. Ich bestelle einen Kaffee und esse ein paar leckere hausgebackene Lebkuchentaler mit Pflaumenfüllung. Hinter Cuptoare gehe ich noch eine Serpentine aufwärts, dann beginnt endlich eine Wandermarkierung. Der blaue Punkt führt in einer weiteren Kurve von der Straße weg. Auf einem alten Bauwagen gleich zu Beginn steht in der selben blauen Farbe zu lesen: "Circulatie fara semnalizare". In sanftem Anstieg führt der von Forstfahrzeugen breitgefahrene Weg durch schönen Mischwald hindurch, der Waldboden ist übersät von Kalksteinen- und felsen. Der zerfahrene Weg ist gut begehbar, weil er trocken ist. Doch wehe dem, der hier nach längeren Regengüssen unterwegs ist!

Leider habe ich es bei meinem Aufbruch in Resita versäumt, meinen Höhenmesser zu eichen. Resita selbst dürfte in etwa auf 200 – 250 Metern ü.d.M. liegen, ab etwa 800 Metern haben die Buchen praktisch sämtliche Konkurrenz verdrängt. Mein Höhenmesser zeigt mir 930 m, jetzt mischen sich ein paar Tannen unter die Buchen, dann geht es aber auch schon wieder abwärts. Vor mir im Südosten erhebt sich die Piatra Goznei (1447 m). Der höchste Gipfel des Semenic-Gebirges ist mit seinem auffälligen Sendemasten ein unverwechselbarer Blickfang. Die einsehbare Skipiste trägt noch Schnee, für eine vernünftige Abfahrt allerdings zu wenig. (Willi war schon mal droben: www.karpatenwilli.com/foto03.htm) Offensichtlich war der Winter nicht nur bei uns zu Hause, sondern auch hier in Rumänien wärmer und schneeärmer als sonst. Der Wald ist schön, an vielen Bäume wuchern schwammige Pilzgebilde wie riesige Geschwüre auf den Stämmen, manchmal gar gleich im Dutzend. Linkerhand, praktisch zu Füssen der Piatra Goznei, ragen ein paar Häuser aus dem Wald, die wohl zum Erholungsort Valiug gehören dürften. Dort will ich aber nicht hin, mein Weg führt westlich daran vorbei und bringt mich zunächst zu einer Lichtung, wo sich ein paar touristische Hütten befinden. Eine neue ist gerade im Bau. Hier treffe ich auf einen Fahrweg, dem ich links abwärts folge. Ein idyllisches Biotop, bestehend aus einem schilfumrahmten Waldsee, dann folgt ein schönes, mit viel Holz konstruiertes Anwesen mit der deutschen Aufschrift "Jagdhaus St. Hubertus". Kurz hinter diesem treffe ich auf ein asphaltiertes Sträßchen, wo sich weitere Ferienhäuser und weiter oben ein Hotel befinden. Ich folge dem Sträßchen ein Stück weit nach rechts, bis ich, wiederum rechts gehend, in einen unbefestigten Forstweg (Drum Forestier Valea Barzavei) einbiege. An einem Picknickplatz mit trinkbarem Bachwasser halte ich eine kleine Vesperpause. Würde ich nun auf dem Forstweg bleiben, so würde ich nach etwa 3 Kilometern das Wanderheim Vila Klaus erreichen. Ich folge jedoch bald der (schlechten) Markierung blaues Band entlang eines Nebenbaches rechts bergan. Hierbei passiert mir ein kleiner Fehler: ich bleibe auf dem Hauptweg, wo bald schon keine Wegzeichen mehr zu sehen sind. Im Hinterher fällt mir ein, dass weiter unten ein kleinerer Pfad links abging. Dieser wäre vermutlich der Richtige gewesen. Mein Weg gabelt sich nun immer wieder auf´s Neue auf, und ich nehme stets den, welcher mit meiner Grundrichtung am ehesten konform zu gehen scheint. Am höchsten Punkt eines bewaldeten Kammes angekommen spekuliere ich, die auf dem Kärtchen angezeigte offene Wiesefläche linkerhand, also in Richtung Osten, zu finden. Prompt trete ich bald aus dem Wald heraus auf eine schöne, aussichtsreiche Wiese mit einem kleinen, verfallenen Sennhüttchen. Nach etwas Hin und Her finde ich Markierung rotes Kreuz, welche von Vila Klaus hier herauf steigt und sich hier oben mit meinem verlorenen blauen Band vereinigt (Wegweiser an einem Baum). Somit ist es vielleicht auch empfehlenswert, den nur wenig längeren Weg bis Vila Klaus zu nehmen, und von dort aus über den mit rotem Kreuz markierten Pfad hier heraufzuwandern.

Buckelwiesen stehen zu Hause im nahen Schwarzwald unter Naturschutz. Sie entstehen durch Temperaturgegensätze warme Tage – frostige Nächte. Ich fotografiere hier oben ein paar Exemplare, wobei ich mir allerdings nicht ganz sicher bin, ob es sich hier nun um eine echte Buckelwiese, oder aber um überwachsene Maulwurfhäufen handelt. Interessant sehen diese Minihöcker auf jeden Fall aus. Der Pfad führt nun wieder in den Wald hinein, senkt sich jetzt stetig abwärts, bis ich abermals auf einen Forstweg stoße. Mein Ziel, die Comarnic-Hütte, dürfte von hier aus nicht mehr weit sein. Es wird auch Zeit, denn es dämmert bereits. Leider war es mir von Deutschland aus nicht mehr gelungen, den zuständigen Kontaktmann in Kaiserslautern per E-Mail zu erreichen. Für den Besuch der verschlossenen Comarnic – Höhle wird auf der Webseite der Exploratorii Resita (http://www.exploratorii.ro/)
eine Voranmeldung empfohlen. Ich kreuze jetzt auf´s Geratewohl hier auf, in der Hoffnung, dass jemand anwesend ist, der mich morgen früh durch die Höhle führen kann. Die Chancen stehen ja nicht so schlecht, da morgen Karfreitag, also Feiertag ist. Mein Weg führt nun entlang des Comarnic – Baches leicht abwärts, und nach kurzer Zeit erblicke ich in der Abenddämmerung die Hütte, zwei Personen sitzen davor an einem steinernen Tisch. Ich werde mit großem Hallo empfangen. Wie ich denn hierher gefunden hätte, will Jerry wissen, seines Zeichens Führer der Comarnic-Höhle und ein großer Freund der Tuica (rumänischer Pflaumenschnaps). Und auch Florida, ebenfalls Höhlenforscherin und ausgebildete Führerin für die Pestera Comarnic, wundert sich über die Richtung, aus der ich komme. Von Resita aus sei ich hierher gewandert? Man ist erstaunt, nicht nur wegen der Weglänge, sondern vor allem, dass ich letzteren überhaupt gefunden habe. Wir sitzen noch eine Weile quatschend um die riesige Kalkplatte, die als Tisch dient, doch mit der Dunkelheit wird´s auch recht frisch, weshalb wir uns in die Hütte zurückziehen. Es sollen heute noch zwei weitere Gäste eintreffen. Mircea und Nelutu vom Salvamont (rumänische Bergrettung) Alba Iulia treffen mit ihrem Dacia erst gegen 11 Uhr nachts ein. Die lustige Runde wird so um zwei weitere Mitglieder bereichert und bis wir endlich in unsere Schlafsäcke kriechen, ist die Stunde schon weit vorgerückt.

Wer Jerry gestern nacht erlebt hat, wird getäuscht, wenn er am nächsten Morgen einen schlaffen und missmutigen Höhlenführer erwartet. Jerry, alias Romulus-Carol Vuia, scheint so fit und gut drauf, wie am Abend zuvor. Dennoch übernimmt heute Florida die Führung, da sie exzellent englisch spricht und es mit meinem Hörverständnis bezüglich der rumänischen Sprache doch noch gehörig hapert. Dennoch wird auch Jerry heute noch seine Führung haben, denn für den Nachmittag ist eine größere Gruppe angemeldet. Wir steigen also die Treppenstufen etwa hundert Meter neben der Hütte aufwärts, bis wir vor dem durch eine Eisentür verschlossenes Höhlenportal stehen. Ein viel größeres zweites Portal befindet sich ein paar hundert Meter weiter links, welches in eine weitere Höhle hineinführt, die aber mit den Dimensionen der Comarnic mitnichten zu vergleichen ist, dafür aber eine Besonderheit aufweist: im Winter verwandelt sie sich in eine Eishöhle, d.h. es bilden sich dort Eisstalagtiten und –stalagmiten. Die beiden Höhlen haben übrigens keine Verbindung zueinander. Wir tauchen nun hinunter in die lichtlose Welt der Pestera (rum.: Höhle) Comarnic. Die Comarnic-Höhle ist zwar nur mit Führer zugänglich, sie lässt sich aber dennoch nicht mit den in Deutschland üblichen Schauhöhlen vergleichen. Hier gibt es kein "Spott an", und auch keine künstlichen Treppen oder Geländer. Während der Führung sind alle Beteiligten mit Helmen und Höhlenlampen ausgerüstet (wenn möglich, selbst mitbringen, zumindest die Lampe!). Einzige Erleichterung sind ein paar gelegte Stufen aus Steinblöcken und einmal ein kurzes Laufseil. Die Höhle ist mit einer Länge von 6 Kilometern die größte bislang entdeckte im Anina-Karstgebiet, die Fülle ihrer Tropfsteinformationen ist einmalig! Sie weist drei "Stockwerke" auf: die trockene, sogenannte fossile Etage, welche mit einer Länge von mehr als 3 Kilometern der bei Besichtigungen üblicherweise begangene Teil ist, die halbaktive Zone, in welcher bei Schneeschmelze oder stärkeren Niederschlägen Wasser "abgeht", und schließlich der aktive Teil, welcher ständig unter Wasser steht. Die meisten der faszinierenden Tropfsteingebilde haben von den Höhlenforschern fantasievolle Namen erhalten, die stets mit der jeweiligen Form in Verbindung stehen. So etwa der Weihnachtsbaum, die Zunge der Schwiegermutter, die große und die kleine Orgel (beide mit Klangeffekt, wenn man dagegen schlägt), die Feen, das Haifischmaul, die Kokosnuss, und, und, und . . . Bei der Abzweigung in eine versteckte Nebengalerie liegt der sogenannte Haiduckenhut. Die Nebengalerie diente gemäß einer Sage einst den Haiducken als Rückzug, wenn die Feinde diesen auf den Fersen waren. Der Hut wurde damals von einem von ihnen vergessen. Einschlüsse von schwarz gefärbtem Silex (Feuerstein) im Kalk sind zwar auch an anderen Orten in der Höhle zu bewundern, aber nirgends in solch eindrucksvoller Weise, wie im sogenannten Zebrasaal, wo die schwarzen Intrusionsstreifen in geometrischer Ordnung die Höhlendecke durchziehen. Wir unternehmen einen kleinen Abstecher in die aktive Zone. Ein wilder Wasserfall lärmt hier mit viel Getöse, der unterirdische Bach strömt durch eine ausgewaschene Felsrinne und verschwindet irgendwo in der Dunkelheit. Auch einen kleinen See mit kristallklarem Wasser bekommen wir zu sehen, sowie das Skelett eines Höhlenbären, welches aber laut Florida nicht aus der Comarnic-Höhle stammt. Jerry, der nun schon seit 10 Jahren den Job des Comarnic-Höhlenführers macht, und hier draußen praktisch das Leben eines Eremiten führt, soll gelegentlich in schlaflosen Nächten durch die Gänge der Höhle wandeln. Die Inspiration durch die prachtvollen Tropfsteingebilde wirkt nach seinen eigenen Angaben beruhigend auf ihn, und danach fühle er sich immer wie ausgewechselt.

Nach dreieinhalb Stunden Höhlenaufenthalt blendet das Sonnenlicht im ersten Moment richtiggehend und man kommt sich vor, wie ein lichtscheuer Vampir. Die Fenster der Comarnic-Hütte sind übrigens vergittert. Jerry zeigt uns einen Gitterstab, der oben abgerissen ist. Hier soll nach seinen Angaben eines Nachts ein Bär gerüttelt haben, während Jerry selbst einsam im Inneren der Hütte saß. Jerry bekommt übrigens regelmäßig Besuch von den Jungen des etwa 3 Kilometer entfernten Dorfes Iabalcea, die ihn mit Lebensmitteln, Tuika und Zigaretten versorgen. Es erscheint manchmal schon fast wie Wildwest, ist aber völlig normal in den ländlichen Gegenden Rumäniens, wenn die Burschen mit der geschulterten Jagdflinte oder der Motorsäge in der Hand auf ihren Enduros bei der Hütte aufkreuzen. Keiner von ihnen soll einen Führerschein haben, brauchen sie auch nicht, hier in den tiefen Wäldern der Muntii Aninei!

Am Nachmittag begeben wir uns mit Florida auf eine kleine Wanderung. Wir folgen einem schmalen, unmarkierten Pfad oberhalb der Schlucht des Comarnic – Baches. Der Pfad verläuft zunächst schnurgerade und passiert zwei Tunnels. Richtig, wir befinden uns auf einer ehemaligen Eisenbahntrasse. Sie hatte einst nach Anina geführt. Von wo weg, konnte mir leider nicht beantwortet werden. Wir verlassen die Trasse und folgen weiterhin einem wilden Pfad. In der Schlucht taucht abrupt ein überdimensionales Sintergebilde auf. Wir steigen hinunter. Der moosbewachsene Überbau sieht aus wie das Dach eines Trollhauses, mir scheint es, als würden wir in eine Fantasiewelt herabsteigen. Von diesem grünen Dach rieseln etliche Wasserfäden hinunter wie aus einem Duschkopf. Unter dem Dach türmt sich eine vielleicht 6 Meter hohe und wohl 10 – 12 Meter lange Sinterwand. Kaum zu glauben, dass ein solches Felsgebilde nur das Resultat eines chemischen Prozesses ist, in dem Pflanzenteile und gelöster Kohlenstoff die Hauptrolle spielen. Wir klettern wieder zurück zum Pfad und folgen diesem bis zur Conflueta (Zusammenfluss), wo der Comarnic – Bach in die Karasch mündet. Für den Rückweg steigen wir zum Bachufer herab und folgen diesem nun pfadlos aufwärts. Mit zwei Stunden war es eine zwar kurze, aber eindrucksvolle Exkursion, die übrigens in keiner Karte zu finden ist.

Abends entzünden wir vor der Hütte ein riesiges Lagerfeuer. Die Osternacht Samstag auf Sonntag wird in Rumänien übrigens auf besondere Weise gefeiert: nachts um 12 finden vor den Kirchen feierliche Prozessionen statt. Einen Brauch lerne auch ich kennen. Jerry hat bei den Einwohnern von Iabalcea Ostereier besorgt, die üblicherweise rot gefärbt sind. Sogar an eine Osterkerze hat Jerry gedacht, die wir Punkt 12 Uhr nachts entzünden. Dann geht´s los: jeder Anwesende bekommt zunächst ein Ei. Dann nimmt man es in die Faust und Einer schlägt sein Ei über das des Anderen. Dabei ruft man "Hristos a înviat" (Christus ist auferstanden). Die Antwort lautet "Adevárat a înviat" (er ist wahrlich auferstanden). Derjenige, dessen Eierschale dabei zu Bruch geht, hat verloren und verzehrt sein Ei. Das Ganze geht so lange, bis alle Eier gegessen sind und eines als "Sieger" übrigbleibt.

Bis ich am anderen Morgen aus dem Schlafsack krieche, ist Florida bereits nach Resita zurückgekehrt. Mircea und Nelutu haben für heute die Begehung der Karasch-Klamm geplant. Nicht jedoch etwa den markierten Pfad zwischen der Poiana Prolaz und dem Dorf Carasova, sondern den unerschlossenen Teil der Schlucht, wo kein Pfad existiert. Der Weg soll daher unmittelbar durch´s Wasser führen. Ich hätte normalerweise heute meine Tour über Poiana Prolaz und Karasch-Klamm bis nach Carasova fortgesetzt, doch als die Beiden mir gestern Abend den Vorschlag unterbreiteten, mit in die Klamm zu kommen, da war ich natürlich Feuer und Flamme. Einen Helm zu meiner persönlichen Sicherheit erhalte ich von Jerry, ja, und was für einen! Einen echten Minenarbeiterhelm Marke uralt, lederüberzogen und mit Ohrenschützern, ein wahres Museumsstück! Einziges Manko bleibt die Tatsache, dass das Wasser des Karasch-Baches recht kalt sein dürfte, und ich – im Gegensatz zu meinen Partnern – keinen Neoprenanzug habe. Dafür ziehe ich mir meinen alten Regenanzug über, den ich extra für Höhlenbegehungen mit Schlamm- und Guanokontakt mit in meinen Rucksack gepackt habe. Nelutu und Mircea haben zusätzlich zwei kleine Plastikschwimmbretter mit, solche, wie sie bei Schwimmkursen für Kinder benutzt werden. Wir haben schon vereinbart, dass ich bei brenzligen Stellen versuchen werde, außen herum zu umklettern.

Wir folgen abermals dem Comarnic-Bach und marschieren dort teilweise schon schnurstracks durch´s Wasser. Erneut gelangen wir zur Einmündung in die Karasch, der wir nun unmittelbar in ihrem Bachbett runterwärts folgen. Sämtliche Utensilien, die kein Wasser abbekommen sollen, wie trockene Kleidung für den Rückweg oder Vesper tragen wir in einem wasserdichten Haulebag, von meinen Kameraden "Banana" genannt. Selbstverständlich müssen auch die Fotoapparate im Trockenen bleiben, weshalb während unserer Begehung leider nur spärlich an bestimmten Stellen Bilder gemacht werden können. Wir hatten ja bereits gestern in der Comarnic-Schlucht einen Vorgeschmack auf die Wildnislandschaften bekommen, die sich in den Klammen des Anina-Gebirges verstecken, doch hier in der Cheile (rum.:Schlucht) Carasului steigert sich die Dramatik noch einmal: überall umgestürzte, moos- und pilzüberzogene Baumstämme, urwaldähnlich wuchernde Vegetation, ringsherum aufragende Felsmauern und -türme, wobei manchmal senkrechte Wände nahe aneinander heranrücken und den Wasserpegel an diesen Stellen entsprechend tief werden lassen. Es ist schon interessant, wie sich an solchen Engpässen der Bach nach unten weggegraben hat, und hier tiefe Becken mit türkis schimmerndem Wasser ausgehoben hat, die so zwischen anderthalb und zwei Metern tief sind. Da nun das Wasser wieder Platz hat, ist die Strömung in diesen Canyons nicht sonderlich stark und für meine beiden Freunde ist es sichtlich ein Heidenspaß, hier mit ihren Brettern durchzuschwimmen. Ich selbst merke spätestens nach dem ersten Eintauchen bis Brusthöhe, ohne Neoprenanzug ist es o.k. bis etwa Gürtellinie, wenn das Wasser jedoch tiefer wird, ziehe ich es schließlich vor, die jeweiligen Passagen zu umklettern, was die Sache aber bestimmt nicht leichter macht! Zudem ist im kalkreichen Aninagebirge auf eine weitere Gefahr zu achten: Kreuzottern und Hornvipern sind beides giftige Schlangenarten, die auch dem Menschen gefährlich werden können! Ein Zusammenstoß mit diesen Tieren bleibt uns aber erspart, denn normalerweise ist es so, dass diese sofort die Flucht ergreifen, wenn sich ihnen etwas Größeres wie etwa ein Mensch nähert. Sie beißen nur dann, wenn sie sich unmittelbar bedroht fühlen.

Die Strömung selbst ist zwar gelegentlich mit Vorsicht zu genießen, bleibt aber bis auf eine Stelle auch für mich begehbar. Selbstverständlich sollte man bedenken, das die Schwierigkeiten einer solchen Schluchtenbegehung ganz stark von den jeweiligen Verhältnissen abhängig sind, d.h. konkret, ob der Bach gerade viel oder wenig Wasser führt. Nach etwa zwei Dritteln der Gesamtstrecke findet man am orographisch linken Ufer einen schmalen Pfad, über den man zur Poiana Prolaz gelangt. Zuvor jedoch steigen wir rechts durch einen Nebenlauf in leichter Kletterei steil empor. Wir finden hier die größten Strudeltöpfe Rumäniens. Das bald folgende Pfadstück bis vor zur Prolaz-Wiese ist nicht viel weniger wild und dramatisch, als die unmittelbare Klammbegehung, allerdings bleibt man hier trocken (wobei es dafür für uns längst schon zu spät ist!). Unterwegs erspähe ich noch von oben herab eine wunderschöne Sinterkaskade, ähnlich derer, welche wir gestern in der Comarnic-Schlucht bewundern konnten. Ich rufe meine beiden Freunde und wir steigen gemeinsam abermals zum Wasser herunter, um dieses Naturwunder genauer in Augenschein zu nehmen.

Um vom orographisch linken Bachufer hinüber zur Poiana Prolaz zu gelangen, gibt es drei Möglichkeiten: entweder, man watet gleich durch´s Wasser, was in unserem Falle, da wir ohnehin triefend nasse Schuhe haben, sowieso keine Rolle mehr spielen würde, oder man vertraut sich der alten Hängebrücke an, deren Schild auffordert, die Brücke nur einzeln zu betreten, oder, für uns jetzt mehr als Gaudi anstatt Notwendigkeit, die Überquerung des Bachlaufs über zwei gespannte Drahtseile. Auf dem einen geht man, am anderen hält man sich fest, eine etwas wackelige, aber ulkige Sache! Am anderen Ufer finden wir ein kleines Holztischchen mit Sitzgelegenheiten, wo wir uns zum wohlverdienten Picknick niederlassen. Anschließend gilt es, den richtigen Weg hinauf zum Iabalcea-Plateau zu finden, von wo aus wir zur Comarnic-Hütte zurückkehren wollen. Die Tour hat recht lange gedauert, wir sind allerdings auch erst am späten Vormittag aufgebrochen. Somit dämmert es bereits, als wir, vorbei an ein paar Hütten, über den steil ansteigenden Pfad durch den Wald hinauf, endlich auf dem aussichtsreichen und dolinengespickten Iabalcea-Plateau eintreffen. Offene Wiesen, einzelstehende Bäume und der eine oder andere Heustadel, dazu, wie gesagt, viel Aussicht unter anderem über den Einschnitt der Karasch-Klamm hinweg – ich liebe beim Wandern eigentlich die Stimmung in der Abenddämmerung, auch wenn hinterher gleich die meist unangenehme Nacht folgt. Wir tauchen wieder in Wald ein, als es dunkelt. Doch erstens bin ich heute nicht allein und zweitens haben Nelutu und Mircea ihre Lampen dabei, ich selbst gehe in der Mitte. "Jerry wird bestimmt schon den Salvamont verständigt haben, um den Salvamont zu retten!" scherze ich noch. Dann erreichen wir endlich nach achteinhalb Stunden unsere schlichte, aber gemütliche Waldbehausung wieder, wo der Hausherr bereits mit Tuika und Bier auf uns wartet. Auch heute wird es wieder spät. In der Hütte werden heute Nacht nur ich und Jerry schlafen, die beiden anderen haben ihr Zelt auf der Wiese beim Canton (rum.: Forsthaus) Comarnic aufgebaut. Wiederum werde ich meine Pläne ändern: anstatt endlich die geplante Wanderung durch den erschlossenen Teil der Karasch-Klamm zu machen, werde ich morgen mit Mircea und Nelutu nach Gârliste fahren, um die dortige gleichnamige Klamm gemeinsam zu begehen. Diese hätte ich zu Fuß erst übermorgen erreicht, und hätte zudem ein gutes Stück die Straße entlang latschen müssen.

Wir befinden uns hier im Bereich der Karasch-Klamm übrigens in Klein-Kroatien, praktisch alle umliegenden Dörfer sind fast ausschließlich von Kroaten bewohnt. Die Orte haben Doppelnamen, so etwa Jabalce (Iabalcea), oder Karasevo (Carasova). Mir persönlich fällt auf, dass die Frauen hier ihre Kopftücher anders gebunden haben, als die in den rumänischen Dörfern. Zudem sieht man hier häufig Fahrzeuge mit Zagreber Kennzeichen, wohl die Verwandtschaft auf Besuch. Meine beiden Freunde bemerken, dass "die hier nicht einmal richtig rumänisch können". Da diese Leute aber langsamer sprechen, als die Rumänen, kommt das mir zumindest entgegen, da ich so besser verstehe. Vier Uhr Nachmittags war es geworden, bis wir es endlich geschafft haben, uns von Jerry zu verabschieden und von der Comarnic-Hütte loszufahren. Der Weg nach Gârliste ist dann in der Praxis nicht gar so einfach zu finden, wie es die Karte darstellt, weshalb wir eben in Carasova bei den Leuten nachfragen müssen.

Ankunft in Gârliste, wiederum ein rumänisches Dorf. Vesper auf einer schönen Bachaue am Ortseingang, ein paar Kühe spazieren an uns vorbei, eine Gruppe von Enten schwimmt quakend durch den Gârliste-Bach. Ohne Mampf kein Kampf, da sehe auch ich ein, und darauf soll es nun auch nicht mehr ankommen. Es ist ohnehin schon klar, dass ich mein heutiges Ziel Anina nicht mehr bei Tageslicht erreichen werde. Diese Bummlerei erinnert mich an meinen ungarischen Freund vor ein paar Jahren im Retezat, wo wir auch immer spät aufgebrochen sind, und mit aller Regelmäßigkeit anschließend in die Nacht gerieten.

Während Karasch- und Neraklamm durchaus bekannte Größen bei rumänischen Berg- und Naturfreunden sind, so ist die Gârliste-Klamm doch weniger bekannt. Völlig zu Unrecht, denn sie steht den beiden Erstgenannten in keinster Weise hinterher! Spannend ist auch hier wieder die Wegführung: ein schmaler Pfad, durch umgestürzte Bäume und hineinwachsende Vegetation oft recht unwegsam, und mittels Sprengungen in die Felswände bzw. durch versperrende Felsriegel getriebene Tunnel hindurch begehbar gemacht. Einmal schreiten wir gar durch ein Felstor, welches nicht von Menschenhand geschaffen wurde. Erwähnenswert sind auch die herrlich blühenden Blumenteppiche, auf die man um diese Jahreszeit auch in den anderen Schluchten stößt. Leider haben wir am Mittag wohl aneinander vorbei geredet, denn wenn ich von vorneherein gewusst hätte, dass Nelutu und Mircea noch eine Höhlenbegehung im Auge haben, dann hätte ich vielleicht nochmals meine Pläne geändert, auch wenn ich dann am folgenden Tag ein zweites Mal durch die Gârliste-Schlucht hätte gehen müssen. Die von den Beiden auserkorene Höhle ist eine sogenannte halbaktive, d.h. es fließt dort drinnen ein Wildbach, und sie hat außerdem eine nicht unerhebliche Ausdehnung. Meine beiden Freunde werden nach der Höhlenbegehung wieder zur Bachaue zurückkehren und dort zelten. Den Eingang zur Höhle haben wir bereits gefunden, das Portal einer zweiten Höhle in etwa am Ende des spektakulären Teils der Schlucht bleibt jedoch unentdeckt. Die Beiden beschließen, es bei der Begehung nur einer Höhle zu belassen. Bis sie wieder am Zeltplatz zurück sein werden, wird es ohnehin stockfinstere Nacht sein. Für mich dürfte es wohl gerade noch so bis nach Anina reichen, bis auch mich die Nacht einholen wird, vorausgesetzt, ich marschiere zügig und ohne Umschweife. So heißt es nun Abschied nehmen, und wir vereinbaren, dass ich mich per E-Mail bei ihnen melden werde, wenn ich das nächste Mal in Rumänien aufkreuze. Und wenn´s dann zeitmäßig und mit den jeweiligen Plänen übereinstimmen sollte, wollen wir uns wieder zusammentun.

Auch wenn die Schlucht jetzt breiter wird und etwas an Dramatik eingebüßt hat, bleibt die Fortsetzung des Weges begeisternd. Ständig treten auf´s Neue Felswände und Höhleneingänge aus der Dämmerung der Waldschlucht hervor und säumen die wilden Wasser des Gârliste-Baches. In der Schlucht waren mir kleine, moosüberwachsene Ruinenmauern aufgefallen, alle der gleichen Bauart und wohl ein gutes Dutzend, immer nahe am Bach gebaut. Leider fehlt mir nun die Zeit, wenigstens eines dieser Gemäuer näher in Augenschein zu nehmen, aber ich vermute, es handelt sich um alte Wassermühlen. Aus einer Höhle am gegenüberliegenden Ufer sprudelt ein Bach hervor, der sich sogleich in den Lauf des Gârliste ergießt. Das Timing haut gerade so hin, wie ich´s vermutet habe. Ich durchstreife das Ende der Schlucht gerade noch im allerletzten Dämmerlicht und bis ich das erste Anwesen erreiche, welches die Nähe der Ortschaft Anina ankündigt, ist es schon endgültig dunkel. Hundegebell verfolgt mich in einer Kettenreaktion. Wenn ich an einem Haus vorbeimarschiere, so schlagen dort sofort die Hunde an, was dann wiederum die Hunde der weiter entfernten Häuser auf den Plan ruft. Von einer Bissattacke bleibe ich allerdings verschont. Mit der Nacht hält auch die Kälte Einzug. Ich genieße während dieser Tour zwar herrliche Sonnentage, aber der Tag- Nachtunterschied ist immer noch frühjahrsbedingt groß.

Riesige Industriemonster aus den Zeiten der Kohleförderung ragen im Ort wie Dinosaurierhälse in die Finsternis der Nacht. Auch hier herrscht inzwischen Schweigen. Ich soll später von einem Resiter Studenten erfahren, dass hier nach einem Unfall mit sieben Toten im Jahr 2006 aus Sicherheitsgründen auch der letzte Stollen des einst florierenden Bergwerksstandortes endgültig geschlossen wurde. In einer schlecht beleuchteten Gasse werde ich von einer dreiköpfigen Kindergruppe überfallen. Ich werde mit Parfüm vollgespritzt und mit bemalten Ostereiern und gebackenen Brezeln beschenkt. "Hristos a înviat" "Adevárat a înviat" gebe ich zur Antwort. Diese beiden Sätze gelten übrigens als Gruß während der gesamten Osterwoche, die in Rumänien über den Ostermontag hinaus bis ins folgende Wochenende geht.

Ich frage die Kinder nach einem Hotel oder einer Pension. Ob ich ein Zelt dabei hätte. Ich sage ja, aber ich möchte heute nacht trotzdem nicht draußen übernachten. Irgendwie scheinen die Kinder mich dabei nicht richtig verstanden zu haben. Sie führen mich über ein paar Treppen in immer abgelegenere Gassen. Alle haben übrigens nach eigenem Bekunden deutsche Verwandte, sei es die Mutter, die Tante oder der Onkel. Nur vom Idiom kennen sie leider nur ein paar bruchstückhafte Einzelwörter. Sie amüsieren sich nebenbei über meine mangelnden Rumänischkenntnisse und irgendwie komme ich mir ein wenig vor, wie ein herumgeführter Zirkusbär. Ortsende – da oben sei ein Hügel, wo ich mein Zelt aufbauen könne. Ach nee, Kinder, ich will doch eine Pension oder ein Hotel! Also wieder runter in den Ortskern. Über die Eier und die kleinen gebackenen Brezeln, die mir die Kinder geschenkt haben, freue mich dennoch. Die hatten das Zeugs gleich plastiktütenweise gehortet, in Rumänien scheint der Osterhase wohl besonders freigiebig zu sein. Ein paar Jugendliche erzählen mir was von einer Brücke, über die ich zu gehen habe, dann eine Kurve, und dort sei ein Hotel. Witzig ist, dass viele Rumänen, wenn sie bemerken, dass ich nicht richtig verstanden habe, dann nicht etwa langsamer, sondern lauter mit mir sprechen, so wie man das mit schwerhörigen, alten Menschen tut.

Während ich nun den mir angegebenen Weg entlang der Hauptstraße Richtung Steierdorf gehe, bemerke ich, dass ich mit dem Hüftgurt meines Rucksacks eines der Ostereier in meiner Jackentasche zu Mus zerdrückt habe. Auch das noch, elende Sauerei! Ich passiere den Friedhof von Anina, oberhalb dessen verläuft die Ortsgrenze zu Steierdorf. Steierdorf war vor dem Exodus der Banater Schwaben in die Bundesrepublik eine deutsche Gemeinde. Mir scheint der Ort wie ein bäuerlich geprägtes Gegenstück zum Industriestandort Anina. Da kommt auch schon besagte Kurve und ein Herr mittleren Alters, dem Aussehen nach der Volksgruppe der Roma angehörig, weist mir noch hilfsbereit das letzte Stück Weg. Es ist jetzt 11 Uhr Nachts, als ich an der Tür des Hotels "Steier" klingle. Der aus dem Schlaf geweckten Dame von der Rezeption ist die Freude über mein spätes Eintreffen anzusehen. Nu este foc – es brennt kein Feuer. Egal, ich brauche nur ein Bett, und etwas Wasser für meine versauigelte Jacke. Das Hotel, welches sich in einem altehrwürdigen Anwesen aus der Monarchiezeit befindet, verströmt ein rustikales Ambiente. Mein Zimmer ist mit einem schönen Kachelofen ausgestattet, daneben steht eine Kiste Holz zum Anfeuern.

Am nächsten Morgen hat die Schicht gewechselt, es sitzt eine andere Dame an der Rezeption. Diese ist sehr freundlich, vielleicht ist ihre Kollegin das auch, wenn man sie nicht gerade mitten in der Nacht aus dem Schlaf klingelt. Ich zahle 30 Lei (etwa 8 Euro) und mache mich auf die Socken.

Heute ist Fahrtag, zumindest für die kommenden paar Stunden. Am Bahnhof von Anina löse ich eine Karte für eine erlebnisreiche Zugstrecke. Dem gewissenhaften Bahnhofsbeamten dabei zuzusehen, wie er mit aller Gemütsruhe und Präzision den Stempel auf die Fahrkarte drückt und sie anschließend mit einer Signatur versieht, bringt mich innerlich zum Schmunzeln, stimmt mich gleichzeitig aber auch ein wenig nachdenklich: wie lange wird es dauern, bis Rumänien endgültig dem Tempo und der Hektik der modernen Zeit erlegen ist, in der es solche liebenswerte Jobs dann sicher nicht mehr geben wird und man stattdessen die Fahrkarte am Automaten lösen muss? Die Fahrt von Anina nach Oravita erscheint jedenfalls wie eine Nostalgiereise, jedoch nicht etwa als Museumsbahn. Es handelt sich um eine immer noch völlig intakte Verbindung, die von den Einheimischen im Alltag benutzt wird. Der Ausdruck "Holzklasse" ist übrigens wörtlich zu nehmen. Willi hat diese romantische Zugstrecke bereits mit der Semmering-Bahn verglichen. Ich möchte den Vergleich mal auf südbadisch machen: hier paaren sich die Schönheit der Schwarzwaldbahn (St. Georgen – Offenburg) mit der Abgeschiedenheit und Gemütlichkeit der Sauschwänzlebahn (Blumberg - Weizen).

Die beiden Waggons werden zwar von einer Diesellok gezogen, aber das Tempo ist sehr langsam, es quietscht und gautscht allenthalben. Zunächst fährt der Zug hoch über dem Rand der bewaldeten Gârliste-Schlucht. Dort unten irgendwo bin ich also gestern Abend noch marschiert. Im Anschluss wechseln sich aussichtsreiche Wiesenplateaus mit bewaldeten Streckenteilen ab, in den Wäldern entdeckt man viele kleine Waldschluchten. Der Blick geht hinüber zum Semenic. Mein Auge fängt zudem das Panorama eines sanft gewellten Berglandes ein, Wald- und Wiesenkuppen ziehen im Wechsel vorbei, letztere stets mit großen und kleinen Kalkbrocken übersät. Dazu weiß blühende Bäume - sind das nun Apfelbäume oder ist es Flieder? Manche Berge tragen vereinzelt auch strahlend weiße Felskronen. Einmal umrundet der Zug komplett ein Tal, wobei man auf der gegenüberliegenden Talflanke bereits die Fortsetzung der Bahntrasse einschließlich eines Tunnels sehen kann. Die Haltepunkte Cârliste, Ciudanovita und Lisava folgen hintereinander und erscheinen allesamt vollkommen weltabgelegen. In Bradisou de Jos öffnet sich schließlich der Blick hinein ins Flachland. Kurz nach 12 Uhr mittags treffen wir im Bahnhof Oravita ein. Oberhalb der Busbahnhofs finde ich ein Maxi-Taxi für die Weiterfahrt nach Sasca. Dieser Ort besteht aus zwei Dörfern, dem größeren Sasca Montana und dem kleinen Sasca Româna. Der Fahrer lässt mich an der Abzweigung nach Sasca Româna raus. Es sind von dort aus vielleicht anderthalb bis zwei Kilometer über Asphalt bis ins Dorf hinein.

Die Nera-Klamm ist die größte und vielleicht imposanteste Schlucht im Anina-Gebirge. Sie begrenzt übrigens das Anina-Gebirge nach Südwesten hin. Wer gleich zur Schlucht weiterwandern will, sollte in den ersten Straßenzug nach links einbiegen, wo auch ein Schild auf eine "Pension Cheile Nerei" hinweist. Ich möchte aber erst noch das örtliche Magazin Mixt ausfindig machen, um meine Lebensmittelrationen aufzufüllen, denn es könnte ansonsten knapp werden. Dummerweise hat das Magazin Mixt geschlossen und öffnet nach Auskunft der Bewohner erst wieder um 17 Uhr. Viel zu spät für mich, und extra noch nach Sasca Montana reinzulaufen, darauf habe ich auch keine Lust. Also, falls es knapp werden sollte, dann gibt´s am letzten und vorletzten Tag eben nur noch Suppen und Pastas, von denen ich immer noch genügend im Rucksack habe.

Etwas umständlich erreiche ich den Einstieg zum Wanderweg. Ich komme zunächst am mit Enten bevölkerten Dorfteich vorbei und passiere anschließend den auf einem aussichtreichen Hügel gelegenen örtlichen Friedhof. Von dort habe ich einen exzellenten Blick hinüber zum Schluchteneinschnitt. Schließlich folge ich der Nera ein kleines Stück stromabwärts und gelange somit zur Hängebrücke, wo sich die Markierung rotes Band findet. Zunächst gehe ich durch eine von Schilf und wildem Baum- und Pflanzenwuchs geprägten Uferzone die Nera stromaufwärts. Die Landschaft ist hier noch offen und weit. Mit der als "Fueroaga mare" bezeichneten Zone betrete ich die Klamm und sogleich einen äußerst spektakulären Bereich, der im Nachhinein betrachtet wie eine Vorschau ist auf das, was einem im zentralen Inneren der Schlucht erwartet. Der schmale Pfad ist in eine Felswand hineingesprengt und führt durch insgesamt 7 Tunnels hindurch. Wer mit dem großen Rucksack unterwegs ist, muss aufpassen, dass er sich nicht etwa unglücklich an der Felswand verfängt und somit aus dem ausgesetzten Pfad herauskatapultiert werden könnte, was einen fatalen Absturz bedeuten würde. Oberhalb des zweiten Tunnels finde ich ein exzellentes Plätzchen für einen kleinen Imbiss. Ein toller Ort, hoch über einer Flussbiegung!

Am Ende der Fueroaga Mare befindet sich ein kleiner Rastplatz (diese werden übrigens auf rumänisch entweder mit "Popas turistic oder mit "Loc de odihna si fumat" bezeichnet). Ein Junge und sein deutsch sprechender Vater sitzen dort zum Vesper und bieten mir auch gleich Speck und Käse an. Die beiden sind mit den Fahrrädern unterwegs. Ob man auch mit den Rädern den Weg bis Sasca Româna fortsetzen könne. Da geht wohl etwas die Fantasie mit mir durch. Es gibt bei uns in den Alpen zwar genügend ambitionierte Mountainbiker, die solcherlei Strecken sogar bevorzugt fahren. Aber im Weitergehen befällt mich ein schlechtes Gewissen, denn die beiden sind dann wohl doch keine Country-Cross-Experten und ich kehre nochmals zu ihnen zurück. Ich gebe ihnen den Tip, es einfach mal zu probieren, und wenn´s nicht geht und zu gefährlich wird, dann eben umzudrehen.

Der Rastplatz befindet sich übrigens an der Einmündung des Bei-Baches in die Nera. Der Ort heißt "Podul Beiului", benannt also nach der gleichnamigen Brücke. Bevor ich morgen meinen Weg durch Nera-Klamm fortsetzen werde, möchte ich zuerst noch einen Abstecher hinauf in die Valea Bei unternehmen. Allerdings wird mir die Zeit zur Erforschung des insgesamt 15 Kilometer langen Tales nicht ausreichen, weshalb ich mich mit einem Ausflug bis zu den beiden bekanntesten Sehenswürdigkeiten Ochiul Beusnitei und Cascada Beusnitei begnügen werde. Die bachaufwärts führende Route ist ein gut befestigter Forstweg. Meine beiden Radausflügler hatten ja zuvor die Valea Bei durchradelt, und jetzt packt mich erst recht das schlechte Gewissen, da dieses gut befahrbare Waldsträßchen mitnichten mit dem wilden Pfad in der Fueroaga zu vergleichen ist. Der wildromantischen Schönheit des Tales tut der auch autotaugliche Fahrweg wenig Abbruch. Im Bachbett mache ich eine Unzahl von Sintertreppen aus, an manchen Stellen gischten Stromschnellen über die Felsen, und auch hier liegen moosbewachsene Baumstämme quer über dem Bachbett. Mit einem kleinen Abstecher vom Weg lässt sich ein imposanter, gut 6 bis 8 Meter hoher Sinterwasserfall bewundern, die Cascada La Vaioaga. Ich passiere zunächst einen Stausee mit Minikraftwerk, dann den Zeltplatz am Forsthaus (rum.: Canton) Bei. Beim Gehöft oberhalb des Forsthauses werden übrigens Forellen gezüchtet. Bald darauf gelange ich zum herrlich türkis schimmernden, geheimnisvoll erscheinenden Waldseelein Ochiul Beusnitei. Direkt neben diesem idyllischen, kreisrunden See fällt die Bei über wunderschöne Sinterstufen als tosendes Kaskadenband herunter. Die Markierung gelbes Band hinein ins Valea Beiu Sec erscheint mir zwar verlockend, aber aufgrund anderer Pläne momentan nicht machbar. Jetzt steige ich auf einem schmalen Pfad entlang der Sinterkaskaden aufwärts, dann weiter durch den Wald hindurch, bis schließlich im Dämmerlicht die beeindruckende Sinterstruktur der Cascada Beusnitei vor mir auftaucht. Von deren Moosdach herab regnet und trieft es in mannigfaltigen, unterschiedlich dicken Wasserfäden über die gut 10 Meter hohen Sinterfelsen herab. Möglicherweise ist dieses Schauspiel in wasserreicheren Zeiten noch spektakulärer. Ich bin jedenfalls hellauf entzückt von diesem herrlichen Naturmonument inmitten dieses abgelegenen "Finsterwaldes". Nur schade, dass die Zeit nicht mehr reicht, den Schluchtenteil zu erforschen, der sich oberhalb der Kaskade pfadlos fortsetzt. Der Willi hat dort schon mal herumgeforscht:
www.karpatenwilli.com/foto04.htm
Ursprünglich lag es in meiner Absicht, mein Nachtlager direkt am Ochiul Beusnitei aufzuschlagen, doch zugegebenermaßen scheint mir der Ort für eine Nächtigung nicht ganz geheuer (Jerrys Geschichte hat mir doch ein wenig zugesetzt, verfluchte Bärenangst!). Zudem ist der dortige Picknickplatz durch rücksichtslose Ausflügler vermüllt, leider Gottes typisch für Natursehenswürdigkeiten, die mit dem Auto erreichbar sind. Ich kehre also im letzten Licht der Dämmerung noch zurück zur Zeltwiese beim Forsthaus. Dort treffe ich zwei Waldarbeiter, die im Begriff sind, mit dem Auto nach Sasca zurückzukehren. Sie meinen, ich könne hier ohne weiteres Zelten. Die anwesenden Hunde sind friedlich, und darauf erpicht, von mir irgendetwas Essbares abzubekommen. Sehr zu meiner Freude bleibt der Pavillon in der Platzmitte die Nacht über beleuchtet, weshalb ich mich dorthin in der Dunkelheit zum Kochen und zum Lesen hinverziehe. Nachts höre ich das Rauschen des Baches und das Bellen der Hunde. Manch´ andere Personen würden sich an so was stören, aber ich liebe solche Nächte!

Bereits kurz nach 8 wandere ich durch die kühle Morgenfrische das Bei-Tal hinab. An der Brücke biege ich diesmal links in die Nera-Klamm ein. Bis zum Canton Damian, wo sich auch ein Zeltplatz befindet, gehe ich auf Forstweg, dann setzt sich die Route auf einem Wanderpfad fort, welcher tiefer in der Schlucht immer wilder wird. Häufig muss ich große Schwemmholzmengen und umgestürzte Bäume überklettern, kleinere Felsstufen erfordern gelegentlich auch den Einsatz der Hände. Im Gegensatz zu den anderen Schluchten fließt das Wasser der Nera ziemlich träge, der Bach ist auch breiter – mehr schon ein Fluss - und oft wohl auch tiefer. Es drängt sich ein wenig ein Vergleich zu meiner heimatnahen Wutachschlucht auf, doch die die Nera-Schlucht überragenden Felswände und –türme haben die Auswüchse von denen des Klettergebietes Donautal zwischen Tuttlingen und Sigmaringen. Insgesamt ist die Begehung der Nera-Schlucht auch wilder und anspruchsvoller als die beiden süddeutschen Pendanten. Ein Wegweiser zeigt in etwa Schluchtmitte die Gehzeiten bis Forsthaus Damian bzw. bis nach Sopotul Nou am entgegengesetzten Ende der Schlucht. Genau dort weist ein Pfeil nach rechts, will heißen, die Nera muss ans andere Ufer durchwatet werden. Wie man das macht, bleibt einem selbst überlassen. Man kann hierfür extra Badelatschen mitnehmen, die Hosen vorher ausziehen, oder aber, wie ich, ohne Umschweife mitsamt Hosen, Wanderschuhen und Socken durchlatschen. Die geeignetste Furt befindet sich unmittelbar dort, wo der Pfeil angebracht ist. An anderen Stellen ist das Wasser zu tief. Das Wasser reicht mir bis kurz über die Knie, was selbstverständlich zu gewissen Zeiten auch anders und dann vielleicht auch gefährlicher sein kann. Eine gewisse Behutsamkeit ist auch jetzt nötig, schließlich will ich nicht mitsamt Gepäck und Fotoapparat ins Wasser stürzen und die Stromschnellen zerren schon etwas an den Waden herum!

Die Gesamtgehzeit von Sasca Româna bis nach Sopotu Nou ist mit etwa 9 Stunden angegeben, und die werden tatsächlich auch benötigt! Kurz bevor sich die Schlucht weitet und das Dorf Sopotul Nou nur noch etwa anderthalb Gehstunden entfernt ist, führt ein kleiner Abstecher zum Lacul Dracului (Teufelssee). Hierzu folgt man einem Pfad durch den Wald recht steil aufwärts. In den grünen Fliederbüschen, die man nun passiert, sollen sich laut Marius Terchila mit Vorliebe Schlangen aufhalten, ich treffe allerdings keine. Der Lacul Dracului besticht ebenfalls mit einem dunklen, türkisfarbenen Wasserspiegel und wirkt auch etwas unheimlich. Er ist von Felswänden eingeschlossen, und führt noch 68 Meter in eine Höhle hinein, eine Tatsache, die ich dummerweise erst nach meinem Aufenthalt am See nachlesen werde. Ich sehe zwar ein Höhlenportal, denke jedoch, dass das unmittelbar abschließt. Der 9 Meter tiefe See nährt sich vom Wasser der Nera, von deren Ufer er etwa 25 Meter entfernt ist. Sein Wasserspiegel steht einige Meter überhalb des Flusslaufes, man muss vom Nera-Ufer aus erst eine moränenartige Erhebung hochsteigen, um zum See zu gelangen.

Eine Gruppe von Schülern ist inzwischen aufgetaucht, die allesamt zum Höhlenportal hinuntersteigen. Es wäre sicher reizvoll, hier zu zelten, doch ich verfolge andere Pläne. Jerry hatte mir eine neue Karte vom Südteil des Anina-Gebirges mit auf den Weg gegeben. Ich würde zum Schluss gerne noch etwas von den Wäldern und den Hochplateaus des Anina-Gebirges erleben. Wenn man den Stichweg zum Lacul Dracului zurückfolgt, sind es von der dortigen Wegekreuzung (blaues Band führt dort auch nach Carbunari) nur noch ein paar Minuten bis zu einer Hängebrücke, wo der Schluchtweg auf die orographisch rechte Seite zurückwechselt. Hier soll laut der neuen Karte ein mit blauem Band markierter Weg zur Poiana Roschii hinaufführen. Die Fotokopie einer älteren Karte, welche ich von Mircea und Nelutu habe, zeigt hingegen etwas völlig anderes (blauer Punkt und völlig abweichende geographische Flurnamen).

Kurz vor der Hängebrücke wird´s noch einmal interessant. Dort mündet ein Bachlauf in die Nera, am Ufer dieses Baches steht eine uralte Wassermühle. Unmittelbar neben der Mühle ergießen sich mehrere wunderschöne Sinterkaskaden in diesen Nebenbach. Es würde sich sicher lohnen, diesem Bachtal weiter nach oben zu folgen. Nachdem ich die Hängebrücke überquert habe, werde ich am anderen Ufer von halbwilden Hausschweinen (die mit den schwarzen Flecken) begrüßt, welche zum nahen Bauernhof gehören. Diese gefräßigen Tiere riechen sofort alles, was essbar ist. Sie lassen sich allerdings durch kurzes Anbrüllen leicht erschrecken und rennen dann grunzend und quiekend von dannen. Ich finde neben dem Wegweiser mit dem roten Band einen zweiten ohne zugehörige Markierung, der den Weg zum Lacul Dracului auf dem rechten Flussufer anzeigt. Diesen Weg zu nehmen, würde bedeuten, die Nera durchwaten zu müssen, um zum See zu gelangen. Vom blauen Band ist hier nirgends was zu sehen. Ich folge aber dem Pfad, eine abenteuerlich aussehende Holzleiter ist zwischendurch zu erklimmen, die mehr Stabilität aufweist, als man zunächst annehmen würde. Der Pfad zieht schließlich im Wald aufwärts, die Deutlichkeit lässt nach, es bleiben vielmehr nur noch Pfadspuren. Die Richtung geht in etwa mit dem in der Karte eingezeichneten Weg einher, von dem blauen Punkt der alten Karte ist übrigens genauso wenig zu sehen. Mir bleiben jetzt noch zwei Wandertage, um die Poiana Roschii bis zum Stausee Lacul Golumbu zu durchqueren. Der Lacul Golumbu befindet sich inmitten der Minis-Klamm, durch die eine Straße nach Anina bzw. Oravita hindurchführt. Eine zweite Option wäre laut Karte die Möglichkeit, ab der Cabana Roschii auf Wegmarkierung rotem Kreuz den Ochiul-Beu-See zu erreichen, und dann eben die Valea Beiu Sec bis nach Crivina bzw. Anina hinaufzuwandern. Beide Wege sind lang, zwingend wäre für mich, heute zumindest noch die in der Karte eingezeichnete Hütte nahe des Dealul Cornetu Mare (821 m) zu erreichen. Mir schwant schon Übles wegen des schlechter werdenden Pfades und der fehlenden Markierung. Jerry hatte mir bereits gesagt, das manche auf der Karte eingezeichneten Routen vorerst noch "Projekt" seien, d.h. Markierung und Wegeausbau seien zwar geplant, aber noch nicht durchgeführt. Ich trete aus dem Wald heraus und befinde mich nun auf einer schönen Wiese mit herrlichen Aussichten. Hinter mir schneidet sich die Schlucht der Nera ein, von weißen Kalkfelsen überragt. Ein gewelltes Plateau breitet sich vor mir aus, teils Bergweide, teils bewaldet, in der Ferne schmiegt sich romantisch ein einsames Gehöft an den Waldrand. In meiner unmittelbaren Nähe befinden sich zwei Stâne, also Sennhütten, die im Vergleich zu den bislang gekannten einen etwas solideren Eindruck machen, fast schon wie uralte Bauernhöfe, eine davon mit einem kleinen Garten. Beide wurden von ihren Besitzern abgeschlossen, also nichts mit Übernachten, denn diese Idee war mir eben gekommen. Ich habe wenig Hoffnung, unter den gegebenen Umständen die Poiana Roschii zu erreichen. Das gäbe dann wieder eine der vielen Umherirrungen mit ungewissem Ausgang, die mir ja schon so oft auf Karpatenwanderungen widerfahren waren. Darauf habe ich nun doch keine Lust, in drei Tagen fährt zudem mein Bus. Ich kehre also wieder auf dem Pfad zurück, am Ufer der Nera ist dieser übrigens sehr unangenehm zu gehen, weil er wenig ausgetreten und teilweise zugewuchert ist. Ich baue mein Zelt am oberen Ende der Wiese nahe einer hohen Felswand auf. Das Nera-Ufer ist nur wenige Meter entfernt, auf der anderen Seite steht die alte Wassermühle, der Bach von vorhin ergießt sich über Sintertreppen in die träge dahinströmende Nera. Eine Gruppe von Schafen weidet in der Nähe, der Feuerrauch der Jugendlichen, die ganz offensichtlich nun am Lacul Dracului biwakieren, zieht zu mir herüber. Kurz und gut: ich habe einen traumhaft schönen Zeltplatz.
Im Gegensatz zu mir hat Willi zusammen mit Horst Neff von den Exploratorii Resita die Poiana Roschii erreicht und intensiv durchforstet:
www.karpatenwilli.com/foto27.htm

Obwohl ich mit meinen beiden Freunden vom Salvamont den zweifellos spannendsten und abenteuerlichsten Teil der Karasch-Klamm begangen habe, fand ich es doch ein wenig schade, nicht auch noch den touristisch erschlossenen Teil der Klamm gesehen zu haben. Genau diese Idee will ich jetzt umsetzen. So mache ich mich frühmorgens denn auf nach Sopotu Nou. Das Tal der Nera weitet sich, diesseits und jenseits des Flusses verteilen sich einzelstehende Gehöfte, Leute bearbeiten die Felder, manche mit Traktor, andere mit lebendigen Pferdestärken. Ich finde im Dorf prompt eine Ocasion (Mitfahrgelegenheit) mittels eines Kieslasters. Wir fahren im Konvoi von drei Fahrzeugen, zwei der Fahrer sprechen übrigens etwas deutsch, so auch der, bei dem ich mitfahre. Wir passieren die Abzweigung nach Moceris, von wo aus eine weitere Möglichkeit bestanden hätte, auf die Poiana Roschi hinaufzuwandern. Die Fahrt führt durch die Minis-Klamm, so dass ich nun in den Genuss komme, auch diese Klamm zu sehen, die sich für eine Durchwanderung nicht rentiert, da eben die Straße nach Oravita hindurchführt. An der Abzweigung nach Steierdorf/Anina springe ich aus dem Laster, denn die Fahrer wollen weiter nach Oravita.

Zu Fuß gehe ich das Stück Straße hinein nach Steierdorf, vorbei am Hotel "Steier", und hinein ins nächste Magazin Mixt, wo ich einen köstlichen Kuchen kaufe. Mit dem Bus komme ich bis zum oberen Ortsende von Anina, Anina Nou genannt. Hier führt die wenig befahrene Straße hinaus über Carasova nach Resita. Eine Abzweigung ist mit dem Schild "Statiunea Margitas – 4 km" versehen. Willi hat diese Cabana ja bereits besucht:
www.karpatenwilli.com/images/dia06.htm

Es dauert eine Weile, doch schließlich nimmt mich ein Student mit bis nach Carasova. Das schöne Dorf liegt jenseits der Straße unterhalb der Karaschbrücke. Der Student hat mich direkt an der Brücke herausgelassen. Ich muss jediglich auf der orographisch linken Bachseite neben der Brücke hinabsteigen, um zum Wanderpfad durch die Karasch-Klamm zu gelangen. Ein gut gelaunter Alter weist mir noch zusätzlich den Weg. Er fragt mich, ob ich sportlich sei, denn man müsse ein wenig klettern. Na, ganz so wild soll´s nicht werden, dennoch ist der Pfad durch die Karasch-Klamm nicht für Spaziergänger in Sonntagsschuhen geeignet. Es ist inzwischen 16.45 Uhr, also fortgeschrittener Nachmittag. Der Weg bis zur Poiana Prolaz ist mit zwei Stunden angegeben, also noch locker machbar. Auf der Prolaz-Wiese will ich dann die Nacht verbringen.

Ein wunderschöner Ort für eine Zeltnacht ist sicher die Poiana Lilieci (Fledermauswiese), die sich direkt gegenüber dem riesigen Portal der Pestera Liliecilor befindet, welches in der Felswand am gegenüberliegenden Ufer als riesiges, schwarzes Loch klafft. Marius Terchila ist übrigens aufgefallen, dass das Portal die Form des afrikanischen Kontinents wiedergibt. Eine Gruppe von Jugendlichen hat hier bereits die Zelte aufgestellt, und sie sind schon am Grillen und am Schmausen. Hoffentlich hinterlassen sie keine Sauerei. Der Weg durch die Karasch-Klamm ist, ebenso wie die Pfade der meisten anderen Klammen im Anina-Gebirge, über weite Passagen hinweg in den Fels gesprengt und führt durch eine wildromantische Szenerie mit üppig gedeihender Vegetation. Das klare Wasser der Karasch, und das mich an die Schluchten des kroatischen Velebit erinnernde (wir sind ja hier witzigerweise sogar in Klein-Kroatien!) Landschaftsbild unterscheidet sich deutlich von dem in der Nera-Schlucht. Das Hinweisschild auf die Pestera de Sub Cetate steht inzwischen wieder. Als der Willi einst hier vorbeikam, und sich auf der Suche nach dieser Höhle befand, fand er das Schild im Bachbett liegend. Der Besuch der Sub Cetate wäre für mich durchaus noch eine Option gewesen, doch mir rennt die Zeit davon. Es ist hier schließlich nicht etwa so, dass man einen ausgebauten Weg bis an´s Höhlenportal vorfindet. Die Höhleneingänge muss man meist erst suchen. In diesem Falle müsste man zuerst durch den Bach zum anderen Ufer hinüberwaten, dort dann Pfadspuren ausfindig machen und schließlich mühsam die Böschung emporklettern, wo der Höhleneingang irgendwo zwischen Felsen und Gestrüpp versteckt ist. Zudem habe ich als Alleingänger aus Sicherheitsgründen einen sehr begrenzten Radius, was das Eindringen in die Höhlen anbelangt. Ich widerstehe also der Versuchung, und auch morgen früh will ich einigermaßen zeitig wegkommen, um zu einer vernünftigen Uhrzeit in Timisoara einzutreffen, da ich dort erst wieder ein Hotel suchen muss und ich zudem noch ein paar Einkäufe tätigen will.

Gegen halb Sieben treffe ich auf der Poiana Prolaz ein. Ein zweites Mal überquere ich den Bachlauf mittels der beiden gespannten Drahtseile, diesmal aber mit dem schweren Rucksack und dem Fotoapparat am Gürtel. Trockenen Fußes erreiche ich das andere Ufer. Ich lasse mich an dem Tischchen nieder, wo ich ein paar Tage zuvor schon mit meinen beiden Freunden gepicknickt hatte und beginne mit dem Kochen. Ein paar Wanderer zelten ein Stück weit bachaufwärts, der Rauch ihres Lagerfeuers zieht zu mir her. Ich will mir zunächst die weiter oben stehenden Hütten anschauen. Dort ist ein Heuschober mittels einer Leiter zugänglich, ein Schild besagt "Übernachtung 10.000 (alte) Lei". Somit kann ich diesen Heuboden also bedenkenlos als Nächtigungsplatz nützen. Dabei fällt mir ein, dass es rings um den heimischen Bodensee eine ganze Anzahl von Bauernhöfen gibt, die ihren Gästen Übernachtung im Heu anbieten. Dort ist es eine Touristenattraktion, wo die Leute dann zwar im Heu, aber mit richtigem Bettzeug inclusive Frühstück übernachten. Das ist zwar sicher schön, aber gewiss nicht mehr authentisch. Es soll wohl eine Art nostalgisch verklärte Reminiszenz an eine Zeit sein, als Handwerker, Pilger oder sonstige Wandersmänner noch zu Fuß durch die Lande zogen, und eine derartige Übernachtung noch Gang und Gäbe war. In den Bergen und ländlichen Gegenden Rumäniens ist sie das heute oft noch, auch wenn ich mich dabei nicht etwa mit Heu zudecke, sondern lieber meinen Schlafsack benutze.

Anderntags folge ich der Markierung rotes Dreieck. Nach dem kurzen Stück, welches identisch mit dem Rückkehrweg von der Prolaz zur Comarnic-Hütte geht, teilen sich die Routen an einem hoffnungslos verrosteten Wegweiser. Diesem ist gerade noch so zu entnehmen "Resita – 2 ½ h". Ich hatte mich beim ersten Vorbeikommen vor ein paar Tagen bereits über diese Angabe gewundert. Jetzt wird mir klar, dass damit nicht etwa gemeint ist, in zweieinhalb Stunden Resita zu erreichen (völlig absurd!). Die Gehzeit bezieht sich jediglich auf das Eintreffen an der Straße Anina – Carasova – Resita. Der Pfad zieht, ein kleines Tälchen umrundend, durch den Wald hinauf zum Schluchtenrand. Dort eröffnet sich ein herrlicher Rückblick hinab zur Poiana Prolaz. Danach passiert man eine Art Gehöft, welches möglicherweise nicht ständig bewohnt ist. Hier muss man links am Gebäude vorbeigehen, hinauf zu einem Strommasten, wo sich das rote Dreieck wiederfindet. Jetzt ist das Iabalcea-Plateau erreicht. Nun geht´s über eine aussichtsreiche Wiese hinweg, knapp vorbei an den Ruinenresten der alten Burg (Cetate), die dereinst hoch über der Klamm residierte. Parallel zu einem verbuschten Mäuerchen abwärts erreiche ich abermals ein landwirtschaftliches Gebäude. Unmittelbar vor dieser Behausung wende ich mich nach links steil bergan. Nach etwas Sucherei finde ich auch oben wieder mein rotes Dreieck. Bald danach treffe ich hinter einem Bauernhof, wo freundliche Leute arbeiten, auf die Straße nach Resita. Genau an dieser Stelle befindet sich auch die Abzweigung nach Iabalcea. Es dauert nicht lange, bis ich von einem mit drei Kroaten besetzten Fahrzeug mitgenommen werde. Schöne Bilder u.a. von der Karasch-Klamm findet man selbstverständlich auch bei Willi:
www.karpatenwilli.com/images/dia13.htm

Wieder zurück in Resita. Seltsam, wie sympathisch mir heute diese eigentlich trostlose Stadt vorkommt. In einem Restaurant wird mir ein etwas ledrig geratenes Kotelette serviert. Na, bei den Preisen ist das nicht weiter tragisch. Am Busbahnhof winkt mich ein älterer Mann in sein kleines Büro im hinteren Teil des Bahnhofsgebäudes. Von ihm erfahre ich, dass mir bis zur Weiterfahrt nach Timisoara noch jede Menge Zeit bleibt. Ich kann meinen Rucksack in seinem Büro deponieren. Ich werde die Zeit nutzen, dem Dampflokmuseum einen Besuch abzustatten. Es handelt sich dabei um ein kostenloses Freilichtmuseum. Sämtliche hier ausgestellten Lokomotiven wurden in Resita gebaut. Willi hat sie bereits alle fotografiert:
www.karpatenwilli.com/images/resita.htm

Timisoara gehört zu den teuersten Städten Rumäniens. Für 140 Lei (ca. 38 Euro) ist das Hotel "Cina Banatul" vielleicht das beste, was man in der günstigeren Preisklasse bekommen kann. Es befindet sich mitten im Zentrum, gerade mal eine Ecke vom Hauptplatz entfernt, welcher sich zwischen dem Opernhaus und der orthodoxen Kathedrale ausdehnt. Für mich wird´s jetzt höchste Zeit, mich wieder zivilisationsfähig zu machen. Die Bedienung eines Cafés in Resita hatte bereits misstrauisch bei mir im Voraus kassiert, und als ich auf der Toilette einen Blick in den Spiegel riskierte, war ich vor mir selbst erschrocken. Noch dazu dürfte ich mittlerweile miefen, wie ein Walduhu. Beim Rasieren des 7-Tage-Bartes bricht mir die Klinge ab, mit einer Backe rasiert und der anderen unrasiert stürme ich auf die Straße, in den Laden um die Ecke, um mir eine neue Klinge zu holen. Der Alte hinter der Theke lacht sich einen. Durch die günstige Lage meines Hotels treibe ich mich diesmal nur unmittelbar im Zentrum herum. Die Piata Unirii mit ihren barocken Fassaden und der über 300 Jahre alten katholischen Domkirche ist wohl der schönste Platz in Timisoara. Die drittgrößte Stadt Rumäniens boomt. Die Arbeitslosenrate soll im letzten Quartal 2006 bei gerade mal 1,1 Prozent gelegen haben, denn ähnlich wie in Sibiu haben hier gewichtige ausländische Investoren Fuß gefasst. Die Stadt ist sehenswert, durch viele grüne Parks angenehm aufgelockert und die schönsten Frauen Rumäniens flanieren im Zentrum. Auch in den gut sortierten Buchläden werde ich wieder fündig. Marius Terchila hat einen weiteren Wanderführer geschrieben: Muntele Mic – Tarcu – Godeanu, Editura Waldpress, Timisoara 2006. Ich hege keine Zweifel, dass mich das wieder inspirieren wird . . .

P.S.: Jerry von der Comarnic-Höhle hat mir übrigens seine Telefonnummer gegeben, so dass potentielle Besucher ihn auch direkt kontaktieren können. Rumänischkenntnisse wären hierfür allerdings empfehlenswert, da Jerry zwar recht viel englisch versteht, aber kaum spricht: 0724 679628.