25./26.10.2013
Wir lümmeln in den Stühlen eines Imbisses neben dem Busbahnhof des Küstenstädtleins Finike, der appetitanregende Geruch von Adana-Kebab steigt von den vor uns stehenden Tellern auf und kitzelt unsere Nasen. Eigentlich nichts Besonderes in der Türkei, ein häufig genommenes Standardessen. Dennoch vermittelt es uns inzwischen vertraut gewordene und geschätzte kulinarische Reize, eben einen typischen Geruch nach Landesküche. Gestern abend um 21.15 h waren wir pünktlich in Antalya gelandet, und um 22 Uhr bereits in unserer Pansyion White Garden einquartiert, einem gastfreundlichen Haus mit wunderbarem ottomanischem Ambiente. Man kennt uns bereits, hatten wir doch die letzte Nacht vor unserem Rückflug von unserer Osterreise dort zugebracht.
In Finike wird es uns nicht lange halten, nur mal noch zum Einkauf von Lebensmitteln und wegen des Geldautomaten, denn mit gerade mal einer Woche ist die Zeit diesmal kurz bemessen, weshalb wir heute noch unsere Wanderung auf dem Lykia Yolu beginnen möchten. Vom kleinen Küstenferienort Karaöz aus wollen wir die zweieinhalb Gehstunden bis hinaus zum Leuchtturm am Kap Gelidonia noch schaffen. Der Nachmittag ist bereits fortgeschritten, und es zeichnet sich ab, dass wir einen Teil der Strecke im Dunkeln zubringen werden.
So erreichen wir denn prompt erst im Schein der Stirnlampen den Ort, welcher zu den beliebtesten Fotomotiven des Lykischen Weges gehört. Es ist wunderbar still hier, der Leuchtturm wirft sein Licht wie Wetterleuchten in die stimmungsvolle Nacht hinein. Stets im Takt, an und aus - und das tut er tatsächlich nur nachts, wie wir morgen früh bei Tageslicht feststellen werden. Das Kap Gelidonia ist die südlichste Spitze der Lykischen Halbinsel. Die Umgebung des Leuchtturmes wird häufig von Wanderern des Lykischen Weges als Zeltplatz genutzt. Wir sind heute jedoch völlig allein hier draußen. Diese Biwaknacht war so geplant, die einzig vorgesehene auf unserer Tour, weshalb wir auf die Mitnahme von Zelt und Kocher verzichtet haben, und stattdessen eine Übernachtung unter freiem Himmel preferieren, nur mit Schlafsäcken, Isomatten und Kaltnahrung im Gepäck. Unter der ausladenden Krone eines Olivenbaumes, unmittelbar neben dem blinkenden Leuchtturm befindet sich ein Ottomane (orientalische Sitz- und Liegegelegenheit für mehrere Personen) in Gestalt einer schlichten Holzpritsche. Leider befindet sich diese in keinem guten Zustand, die Bretter sind schon arg durchgebogen. Zu Zweit finden wir gerade noch darauf Platz, ohne in das große Loch im Boden hineinzufallen.
Die Abgelegenheit dieses Ortes bringt es mit sich, dass, abgesehen von den Lichtblitzen des Leuchtturmes, kein weiterer Lichteinfluss die Klarheit des Sternenhimmels über uns beeinträchtigt. Romantischer könnte es für uns beide kaum sein, wenn Jutta nicht so frieren müsste und ihr die Schlafposition auf dem harten Untergrund des Ottomanen besser bekommen würde ... ;-)
|
Kesik Minare - das abgebrochene Minarett ist eines der markantesten Monumente in Kaleici, der zauberhaften Altstadt von Antalya |
|
der Ortskern von Finike |
|
Für den Traumstrand von Karaöz bleibt leider keine Zeit ... |
|
... denn es ist absehbar, dass wir einen Teil unserer Wanderung hinaus zum Kap Gelidonia im Dunkeln zubringen werden. |
|
Rückblick nach Karaöz. Von Finike per Dolmus nach Kumluca, anschließend weiter mit dem Taxi - so sind wir hierher gekommen. |
|
Die kreisförmige Bucht von Melanippe war einst ein Hafen. Heutzutage ist sie ein von Einheimischen gerne besuchter Picknickplatz. |
|
Langsam verschwindet die Sonne |
26.10.2013
Jutta stupft mich sanft, ich erwache und erblicke einen blutroten Streifen am dämmernden Horizont. Es ist fast noch dunkel, wir verbleiben in den Schlafsäcken, die Blicke aufs Meer, gen Sonnenaufgang gerichtet. Die ganze Nacht über hatte ein Vogel lauthals gebalzt. Was Jutta als Schlafstörung empfand, erschien mir selbst als Romantik der Wildnis. Obwohl ich das Gefühl habe, recht gut geschlafen zu haben, soll sich die folgende Etappe für uns beide als strapaziös erweisen, ich selbst fühle mich von Beginn an wie durch den Fleischwolf gedreht. Was sind wir schließlich erleichtert, als wir am frühen Abend endlich im verträumten, kleinen Badeörtchen Adrasan eintreffen. Bis zur Pension " Arikanda River Garden" müssen wir allerdings bis ans andere Ortsende weiterwandern, was sich doch noch gehörig zieht. Da diese Unterkunft aber am Lykischen Weg liegt, nehmen wir somit ein Wegstück der morgigen Etappe vorweg. Das von einer aus Mesopotamien stammenden kurdischen Familie bestens geführte Haus findet voll und ganz unser Lob. Hier erfreuen wir uns nach einem Tag voller Mühen herzlicher Gastfreundschaft, lassen uns leckeres Essen munden und profitieren von der außergewöhnlichen Option, abends am Flussufer neben den quakenden Enten speisen zu können ...
|
Inselgruppe südlich vom Kap Gelidonia |
|
Gerade zur rechten Zeit, als sich der Feuerball aus dem Meer erhebt, habe ich es zum Fotografieren aus dem Schlafsack geschafft. |
|
Unsere Schlafstätte befand sich unter einem Olivenbaum unmittelbar links des Leuchtturms |
|
Leider ist der hölzerne Ottomane beschädigt, weshalb zwei Personen gerade mal so auf ihm übernachten können. |
|
Rückblick kurz nach dem Aufbruch |
|
Der Pfad steigt gleich an |
|
Wir haben inzwischen eine beträchtliche Strecke durch schattigen Kiefernwald zurückgelegt, als die Sicht zum Tahtali Dar frei wird. |
|
Nach der Überquerung eines Passes geht´s hinunter nach Adrasan. Dabei kommen wir an dieser verlassenen einstigen Kamelfarm vorbei. |
|
Das Wasser aus dieser Quelle ist bedenkenlos unbehandelt trinkbar. |
|
Das Restaurant der Pension "Arikanda River Garden" schmiegt sich romantisch ans Flussufer, wo man während des Essens schnatternde Enten beobachten kann. |
|
Dieser auffallende Berg erhebt sich über dem Strand von Adrasan |
|
Der Strand von Adrasan in der Abenddämmerung |
28.10.2013
Heute sieht die Welt schon anders aus. Wir fühlen uns beide topfit, es macht wieder Spaß! Zu Beginn noch gemütlich schlendernd durch von Granatapfelplantagen bestandenes Kulturland, vorbei an Gehöften, wo uns auch frisch gepresster Granatapfelsaft feilgeboten wird, schwingen wir uns bald durch schattigen Pinienwald hinauf zu einem aussichtsreichen Plateau. Der Gipfel des Tahtali Dar schiebt sich hier ins Blickfeld. Dieser markante Taurusberg, der sich so unmittelbar hinter der Küstenlinie in die Höhe reckt, trägt auch den Beinamen Olymp - so wurden in der unter griechischem Einfluss stehenden Kulturwelt des Altertums noch zahlreiche weitere Gipfel genannt. Der Bekannteste unter ihnen trägt den Namen bis in die heutige Zeit und hält seinen Status als höchster Berg Griechenlands. Es folgt eine Passüberschreitung, die Landschaft wird durch steil aufragende Felswände und tief eingeschnittene Schluchten zusehends spektakulärer. Zum Schluss steigen wir steil hinab, wandern durch eine Waldbrandzone hindurch und müssen uns häufig über umgestürzte Bäume hinwegsetzen.
Wir erreichen Olympos, und wie so oft, wenn der Lykische Weg den Wanderer an eine der alten lykischen Ausgrabungsstätten heranführt, kommen wir zuerst an der Nekropolis vorbei. Diese ist, wie auch an anderen Orten, erstaunlich gut erhalten. Fast fragt man sich manchmal, ob damals für die Toten besser gebaut wurde, als für die Lebenden. Eigentlich befinden wir uns schon im Innern des eintrittspflichtigen Ausgrabungsgeländes. Die Markierung führt uns durch ein Schlupfloch hinaus, die ausgiebige Besichtigung der Anlage möchten wir auf morgen verschieben, mit viel Zeit und Ruhe.
Wir quartieren uns ein im "Zakkum", dem ersten von unzähligen hier in Olympos existierenden Restaurants mit zugehörigem Bungalowdorf. Der Ort besteht praktisch aus nichts anderem, als aus solcherlei Unterkünften. Die meisten von ihnen weisen eine schlichte Ausstattung auf, der "local gag" ist sicher die Tatsache, dass es sich bei den Unterkünften überwiegend um Baumhäuser handelt. Unverkennbar ist Olympos ein Backpackertreff mit Rang und Namen, entsprechendem Publikum und einer solchen Lokalitäten ureigenen Atmosphäre. Unser Bungalow steht übrigens lediglich auf niedrigen Stelzen, dafür ist er für die hiesigen Verhältnisse recht nobel eingerichtet. Vor zehn, fünfzehn Jahren noch hätten wir beide sicher auf ein Baumhaus insistiert, heute preferieren wir den Komfort, ohne dabei vom Gefühl beschlichen zu werden, etwas Außergewöhnliches verpasst zu haben. Witz und Unterhaltungskunst unseres Gastgebers, vor Ort aufgrund seiner Ähnlichkeit mit einem gewissen Herrn auch Silvester Stallone genannt, sind einen Aufenthalt im Zakkum allemal wert. Während wir uns im Paradiesgarten des Restaurants genüsslich auf einem diesmal komfortabel mit Kissen und Teppich gepolsterten Ottomanen räkeln, lassen wir es uns auch kulinarisch einmal mehr gut ergehen. Zum anschließenden Verdauungsspaziergang wandern wir in der Dämmerung noch die Straße hinauf, welche aus dem Tal herausführt. Wir lernen ein finnisches Pärchen kennen. Die beiden werden uns später wiederbegegnen. Nachts scheint es uns in Olympos kälter, als sonstwo auf unserer Reise. Vermutlich bildet dieses enge Tal einen Trog für die absinkende Kaltluft.
|
Noch nicht weit entfernt von Adrasan. Vor uns wieder der Berg von gestern. |
|
Während die Granatäpfel derzeit reif an den Bäumen hängen, brauchen die Orangen noch etwas |
|
Allerlei "Viechereien" begegnen uns auf Gehöften und in den Dörfern |
|
Kulturland trifft Wildnis |
|
Der Weg führt durch diesen Durchschlupf |
|
Zwischen Erdbeerbäumen |
|
Auf einem Plateau bietet sich uns die prächtigste Aussicht auf dieser Etappe ... |
|
... über eine Ebene hinweg zu den Taurusbergketten ... |
|
... unter uns der Ort Cavusköy |
|
Jutta kann das Naschen von der Beeren des Erdbeerbaumes einfach nicht lassen :-) |
|
Der mächtige Tahtali Dar wird uns täglich in Erscheinung treten - am Schluss wollen wir ihn besteigen |
|
Unterwegs sind zahlreiche umgestürzte Bäume zu überwinden |
|
Wir wandern durch eine Waldbrandzone. Die abgestorbenen Bäume konnten den Stürmen nicht mehr standhalten und sind abgebrochen. |
|
einfach wunderschön, diese Erdbeerbäume ... |
|
Auf Olympus zu wird die Landschaft zusehends felsiger und zerklüfteter |
|
Olympos in Sicht ... |
|
Als erstes erreichen wir die Nekropolis |
|
Die lykischen Grabkammern sind uns ja vom letzten Mal her schon bestens bekannt |
|
Im Spätherbst führen nur noch wenige Bäche Wasser |
|
Olympos ist auch ein Kletterdorado - die Wand rechts im Bild ist eine von mehreren Sektoren |
29.10.2013
Nun fänden sich ja auf dem Lykischen Weg immer wieder mal gute Gründe, an einem der vielen wundervollen Orte länger zu verweilen. Die beeindruckende und sensationell situierte Ausgrabungsstätte, das sagenumwobene Feld der "Ewigen Flammen" (auch Chimäre genannt, oder türkisch Yanartasch), zwei kultige und stimmungsvolle Backpackerorte, das Ganze garniert mit von Buchten eingefassten, herrlichen Sandstränden - ja, Olympos und Cirali gebühren diesbezüglich fast gar ein Muß. So beträgt der zu erwartende Zeitaufwand für die folgende Etappe, welche uns lediglich über den Strand hinweg vom einen Ort in den benachbarten führen soll, gerade mal etwa 30 Netto-Gehminuten.
Nachdem wir uns von Silvester Stallone verabschiedet haben, trödeln und bummeln wir zunächst in aller Ruhe in den Ruinen von Olympos herum. Man braucht kein Geschichtsprofessor zu sein, um sich in die antiken Stätten am Lykischen Weg zu verlieben. Auch ich bekomm´s nicht so recht raus, inwiefern Olympos für Lykien nun wirklich von Bedeutung war. Tatsache ist nämlich, dass sich im Areal Gemäuerreste befinden, die etwa auch von den Römern stammen, sowie aus byzantinischer und ottomanischer Zeit. Aber, ich sagte es schon, dieser magische Ort zieht uns einfach in seinen Bann ...
Bei der Flussmündung am Strand enden die Ruinen. Die idyllische Bucht lädt ein zum Baden und Verweilen. idyllisch zeigt sie sich uns zumindest jetzt, im Spätherbst, wo sich die Besucherzahl auf ein angenehmes Maß reduziert. Hier lassen wir uns nieder. Ich begebe mich später noch auf Inspektion zu einem sich dort in der Nähe befindlichen Klettersektor, welcher Klettern hoch über dem Meer ermöglicht, allerdings fast alles in gehobenen Schwierigkeitsgraden.
Am späten Nachmittag packen wir alsdann die Badesachen wieder ein, schultern unsere Rucksäcke und spazieren so über den Strand hinweg nach Cirali. Aynur Kurt und ihre "Pansyion Sima Peace" haben ihre eigene Geschichte, man sollte sie unbedingt lesen. Die Zeitschrift GEO berichtet in ihrer Ausgabe "Saison - April 2013" ausführlich über die rabiate Behördenwillkür gegen Aynur, die Zerstörung ihrer Pension durch die Bulldozer und Abrissbirnen des Militärs. Auch eine schwedische Zeitung hat eingehend über diesen Vorfall berichtet. So oder so, auch wenn sich Aynur derzeit sozusagen nur in einem Provisorum bzw. Asyl beim Nachbarn befindet, diese offenherzige und auf eine gewisse Art auch liebenswert verrückte Persönlichkeit ist eine Institution in Cirali, man muss sie kennenlernen!
So einsam unsere Nachtwanderung in Richtung Flammenfeld zunächst ist, bei den Chimären angekommen stellen wir fest, dass wir lange nicht die Einzigen sind mit der aus einem Anflug von Romantik geborenen Einfall, die züngelnden Flammen bei Nacht erleben zu wollen. Zustande kommt dieses Naturwunder durch bodennahes Erdgas, welches die Flammen kontinuierlich am Brennen hält. Dies war übrigens schon in der Antike der Fall, entsprechend kann man sich den einstigen Stellenwert des Ortes vorstellen, und welche Sagen sich damals schon um diesen rankten.
Wir lassen es ausklingen mit einem stimmungsvollen Abendessen am Strand. Die sich um diese Jahrezeit bemerkbar machende nächtliche Frische wird durch aufgestellte brennende Feuertöpfe gemildert.
|
Olympos befindet sich in einem engen, von steilen Felswänden eingeschlossenen Tal. Nachts wurde es hier recht kühl. |
|
Auf dem Ausgrabungsgelände |
|
Ein zerbrochenes Mosaik |
|
Diese byzantinische Burg erhebt sich direkt über dem Strand von Olympos |
|
Antike Wasserdrainagen funktionieren noch |
|
Eine lykische Grabkammer |
|
Der Tahtali Dar überragt den Strand von Olympos |
|
Um diese Jahreszeit ist es hier wirklich nicht überlaufen |
|
Unmittelbar hinterm Strand beginnt die Ausgrabungsstätte. Dieser Fluss mündet (fast) ins Meer |
|
Hier klettert man hoch überm Mittelmeer |
|
Aussicht vom Klettersektor über die Strände von Olympos und Cirali, der Tahtali Dar wacht im Hintergrund über Allem |
|
Über den Strand spaziert erreichen wir Cirali |
|
Der nun verlassene Strand von Cirali |
|
Schirmförmige Akazien bieten im Sommer Schatten |
|
Nachts auf dem Flammenfeld waren wir nicht die Einzigen |
30.10.2013
Nachdem wir uns beim Frühstück mit Aynur und einigen Gästen etwas verbummelt haben, kommen wir erst um 10.15 h von Cirali weg. Erneut begeben wir uns hinauf zum Flammenfeld, welches kurioserweise jetzt bei Tageslicht vollkommen verlassen ist. Knapp unterhalb eines Passes gelangen wir übrigens zu einem zweiten, kleineren Flammenfeld, zu welchem wir gestern abend nicht hinaufgestiegen waren. Nun geht´s hinunter, durch eine zerklüftete Berglandschaft hindurch. Die Schatten duftender Kiefernwälder schützen uns vor der selbst um diese Jahreszeit tagsüber immer noch sehr warmen Sonne und sorgen somit für ein angenehmes Wanderklima. Die Gumpen eines wasserführenden Baches kurz vor Ulupinar laden zum Baden ein. Schade, dass uns die Zeit fehlt! Die verbummeln wir im netten Forellenzüchterdorf Ulupinar bei einem köstlichen Fischgericht - wohlwissend, dass mit dieser Mittagsrast die Chance, unser Etappenziel Beycik noch bei Tageslicht zu erreichen, endgültig dahin ist. Wir sehen dem gelassen entgegen, wir haben die Stirnlampen parat, ein Schuss Abenteuer und Improvisationswillen sind schließlich stets die Würze einer Trekkingtour.
Hinter Ulupinar leisten wir uns allerdings einen Verhauer, indem wir vermutlich alten Markierungen die Asphaltstraße bis vor zur Küstenstraße Antalya - Fethiye folgen. Mangels besserer Alternativen dann der eigentlich eher zwielichtigen Landkarte aus Cate Clow´s Buch folgend, gelingt uns eine Korrektur, allerdings addiert sich nun eine weitere Stunde der verbliebenen Gehzeit hinzu. Wundervoll nun, auf den im letzten Abendlicht erstrahlenden Tahtali Dar zuzumarschieren, und sich am Rückblick zu den zerklüfteten, scharfgratigen Bergen von Olympos zu erfreuen. Unterwegs treffen wir einen Alten, der uns liebevoll mit Umarmung begrüsst, als seien wir alte Freunde oder Mitglieder der Familie. Sein Versuch, uns auf türkisch den möglicherweise nicht ganz unkomplizierten Weiterweg nach Beycik zu erklären, ist zwar gut gemeint, aber leider Gottes mangels Sprachkenntnissen für uns nicht verwertbar. Nun denn, nach dem Abstieg von einem Sattel kramen wir die Stirnlampen hervor, ein spannender Orientierungsmarsch durch die Finsternis nimmt seinen Anfang. Von Hunden werden wir jediglich durch protestierendes Bellen hinter verschlossenen Grundstückszäunen behelligt, ansonsten bereiten uns die Nachtwächter der Türkei keine Probleme. Ich hatte zuvor noch anderes befürchtet und dies als das Hauptproblem unseres Nachtmarsches vermutet. Diffizil hingegen wird die Wegfindung, umso stolzer und zufriedener sind wir, als wir schließlich und endlich das erste dunkle Teersträsschen des Bergdorfes Beycik erreichen und bald schon auf eine erleuchtete Moschee zulaufen. Just bei unserem Eintreffen setzt der Gesang des Muezzin ein.Sicher wird ein Gläubiger Muslim dies ganz anders wahrnehmen, als wir jetzt, in unserer möglicherweise etwas verklärten Romantik. Vergleichbar ist diese Intuition etwa mit den läutenden Glocken einer Kirche oder das süße Klingen einer Kapelle, die jenseits ihrer Bedeutung durchaus als etwas esthetisches, wohlklingendes empfunden werden können.
Juttas Verfassung war, abgesehen von leichten Magenbeschwerden, bis zu diesem Zeitpunkt lobenswert. Während des nächtlichen Orientierungsmarsches hatte sie tapfer, produktiv und enthusiastisch zum Gelingen beigetragen, doch bei der nun folgenden leidigen Quartiersuche sinkt die Moral schlagartig in den Keller. Die Straßen hier sind wie ausgestorben, keine Menschenseele findet sich, kaum ein Haus ist beleuchtet. Ich klopfe schließlich ans Fenster der Moschee. Ein Teenager erklärt mir in rudimentärem Englisch die Lage der von uns gesuchten Pension. Was wir dabei nicht mitbekommen, ist die Tatsache, dass sich Beycik in zwei auseinanderliegende Ortsteile trennt, wobei sich der obere Ortsteil gut 200 Höhenmeter weiter oben im Hang befindet. Die Unterkünfte befinden sich im Oberdorf, wir aber stehen im unteren, nur wissen wir dies noch nicht. Wundern uns nur, dass, bevor wir irgendeine Unterkunft erreicht haben, der Ort plötzlich zu Ende ist und die Asphaltstraße nur noch in die gähnende Nacht hinausführt. Erst ein Telefonanruf und der freundliche Beistand dreier nun doch noch plötzlich auf den Plan tretender Personen schaffen Abhilfe.
Der Besitzer der Pension "Cinaralti", zu dessen Nummer ich inzwischen gekommen bin, spricht überraschenderweise deutsch und erklärt uns, wir sollen unten an der Moschee warten, er käme, um uns abzuholen. Wir sind unendlich erleichtert. In der Pension bekommen wir nicht nur ein herzhaftes Abendessen vorgesetzt, sondern lernen auch unseren Gastgeber näher kennen. Der pensionierte Maschinenbauingenieur outet sich als Tausendsassa - Skupturenkünstler, Geschäftsmann, Erfinder und unterhaltsamer Gesprächspartner. Seine vorzüglichen Deutschkenntnisse lassen uns kaum glauben, dass er zwar geschäftlich oft in Deutschland und in der Schweiz unterwegs war, dort aber noch nie gelebt hat.
|
Unglaublich, aber wahr ... |
|
... die zerstörte Pension von Aynur Kurt in Cirali |
|
Majestätisch thront der Tahtali Dar überm Strand von Cirali |
|
Unser Bungalow befand sich mitten in einem Orangenhain mit Blicken zur Moschee von Cirali und zum Tahtali Dar |
|
Tagsüber waren wir kurioserweise allein auf dem Flammenfeld |
|
Türkische Ausflügler sollen hin und wieder die lodernden Flammen auch zum Teekochen nützen |
|
Aussicht vom Flammenfeld aus zurück zum Strand von Cirali |
|
Bald schon wieder durchkämmen wir die Wälder ... |
|
... und tauchen ein in eine traumhafte Felsenlandschaft |
|
Nicht alle Wasserläufe sind ausgetrocknet |
|
Ankunft im Forellenzüchterdorf Ulupinar |
|
In den Zuchtbecken wimmelt es von Forellen, welche in den zugehörigen Lokalen schmackhaft zubereitet werden |
|
In diesem Lokal hielten wir Einkehr zu einem fulminanten Forellenmahl |
|
Die Fortsetzung der Wanderung gewährt wundervolle Rückblicke zur zerklüfteten Bergwelt von Olympos |
|
Die Bienenzucht ist in der Türkei weit verbreitet |
|
Es glüht der Tahtali Dar im Abendlicht - schon ist absehbar, dass wir ein gutes Stück bis Beycik in der Dunkelheit zurücklegen werden |
01.11.2013
Wir schaffen es, um 9.10 h von der heimeligen Herberge und unseren freundlichen Gastgebern des Cinaralti Abschied zu nehmen. Es soll dies nun die letzte Etappe unserer Herbstexkursion auf dem Lykia Yolu werden. Und, wie versprochen, wollen wir zum Finale den Gipfel jenes Berges erklimmen, welcher sich uns seit Anbeginn unserer Wanderung täglich zur Ansicht ausstellte. Diesem Tahtali Dar sind wir inzwischen sehr nahe gerückt, seine felsigen, senkrechten Westwände sind jetzt mit all ihren Konturen einsehbar. Darunter fügt sich dichter, grüner Wald zum Kontrast, das Mittelmeer breitet sich in der Tiefe hinter unseren Rücken wie ein türkisblauer orientalischer Teppich aus. Nach einem sonnenexponierten Auftakt kurz hinter Beycik ( der obere Ortsteil, von dem aus wir heute morgen gestartet sind, befindet sich übrigens auf etwa 800 m Seehöhe) tauchen wir bald schon wonnig in den schützenden Schatten des Waldes ein, denn bereits die Morgensonne entfaltet eine für die fortgeschrittene Jahreszeit beachtliche Kraft. Die Besonderheit dieses Mischwaldes sind wohl die Zedernbestände mit ihren bemerkenswerten, schirmartigen Baumkronen. Oft wachsen diese hangparallel, was den Eindruck von Merkwürdigkeit noch verstärkt. Wir erreichen eine Yayla, auf der wir einen jungen Mann antreffen, der Tee kocht. Er erklärt sich uns als Bergführer, der seinen vormaligen Job an den Nagel gehängt und mit der Herstellung von Filigranschmuck neue Ambitionen für sich entdeckt hat. Bei ein, zwei anregenden Glässchen Cai entwickelt sich rasch eine kleine Unterhaltung. Ein Aussteiger also, der sich hier oben von der Hektik und den technischen Errungenschaften der Moderne losgesagt hat. Mein Blick fällt auf die Enduro, welche hinter der Hütte steht, und ich grinse. Naja, der Weg zu Fuß hier herauf sei lang und beschwerlich, und zur Versorgung mit Lebensmitteln wär´s dann schon praktischer mit dem Motorrad, erklärt er uns verschmitzt. Er zeigt uns seine Exponate, durchaus gelungene Schnitzereien, Halsketten, Armreifen usw. Jutta entscheidet sich für zwei schön gearbeitete Amulette, dann setzen wir unseren Weg fort.
Wir kommen im aussichtsreichen Tahtalisattel an. Das Panorama ist berauschend. Man hat den Eindruck, eine komplett unbesiedelte Berglandschaft zu überblicken. Im Hintergrund erheben sich ockerfarbene, kahle Bergrücken. Es sind dies die 3000er des Taurusgebirges. Durch eine karge, wüstenhafte Einöde führt auch der Gipfelaufstieg, welcher sich über einen deutlich erkennbaren Pfad recht unkompliziert bewerkstelligen lässt. Dennoch muss ich erwähnen, dass das Gelände hier recht weitläufig ist, was möglicherweise im Frühjahr, wenn sich noch entsprechend große Altschneefelder ausdehnen, in Kombination mit Nebel durchaus Orientierungsprobleme aufwerfen könnte.
Bereits während des Aufstieges bieten sich uns Aussichten mit beachtlichen Weiten. Allerdings haben wir heute etwas Pech, die Luft ist recht diesig. An einem klaren Tag muss es hier oben atemberaubend sein. Die Sicht reicht von Antalya bis hinüber nach Fethyie, sowie weit in den Taurus im Landesinneren hinein. Olympos ist leicht am markanten Musa Dar (Mosesberg) auszumachen.
Sicher nicht alltäglich ist es, sich bei Ankunft auf einem Berggipfel in die Stühle einer Sonnenterrasse plumpsen zu lassen, und hernach einen extraordinären Cappuccino zu genießen. Auch der Kuchen, welcher im Restaurant neben der Seilbahn kredenzt wird, kann sich sehen, oder vielmehr schmecken lassen. Direkt unter uns breitet sich der Pauschaltouristenort Kemer aus. Vor 25 Jahren war ich schon einmal dort, ohne zu ahnen, dass ich eines Tages von einem dieser damals mich schon beeindruckenden Berge hinter dem Meer hier hinabblicken würde. Dass wir jetzt mit der Kabinenbahn zu Tale schweben (Talfahrt € 15.-), dafür sind uns zumindest Juttas Knie sehr dankbar. Zudem vermeiden wir auf diese Art ein erneutes Zeitproblem, denn die Fußwegalternative wäre, in den Tahtalisattel zurückzukehren und den Weg nach Yayla Kuzdere fortzusetzen, der sich allerdings noch recht dahingezogen hätte.
Unser Wandertag ist indes noch nicht zu Ende, das Etappenziel noch nicht erreicht. Aber wir haben schon mal Glück, unmittelbar nach unserer "Landung" im Tal von einer Reisegruppe im Bus bis zur Stichstrasse Richtung Phaselis mitgenommen zu werden. Nicht weit davon finden wir auch den Einstieg in den Lykischen Weg wieder. Über einen markierten Pfad finden wir bald schon zu unserem Tagesziel "Sundance Nature Ressort". Gerade mal rechtzeitig, denn kaum angekommen, ist es dann auch endgültig wieder stockdunkel.
Hier treffen wir auch unsere Freunde, das finnische Pärchen von Olympos wieder, welche über die Küstenvariante des Lykischen Weges hierhergekommen waren. Ein reichhaltiges Büffet erwartet uns hier im von flippiger Post-Hippiekultur angehauchten Paradies der Sundance Ranch. Wir fühlen uns aber nicht kultig genug, in eines der äußerst schlicht ausgestatteten Baumhäuser zu ziehen und preferieren dafür den schönsten Bungalow in der Anlage ;-).
|
Skulpturen im Hof der Pansyion Cinaralti in Beycik |
|
Heute wollen wir den Tahtali Dar besteigen. Kurz oberhalb von Beycik sind wir aber noch ein gutes Stück weit vom Gipfel entfernt. |
|
Es ist bereits morgens schon ziemlich warm, und wir sind froh, bald schon wieder den schattenspendenden Wald zu erreichen |
|
Pferde hat es auch am Weg |
|
Die typische Beschilderung des Lykia Yolu |
|
Blick über die Berge hinweg zum Meer |
|
Wir sehen bis zu den Bergen von Olympos |
|
Teepause auf der Yayla |
|
Zedernbäume mit ihren eigentümlichen Kronen kontrastieren hier mit der kahlen Gipfelregion des Tahtali Dar |
Blick über Wälder hinweg zu den 3000ern des Taurusgebirges
|
Das Gelände am Tahtali Dar gleicht fast schon einer kargen Steinwüste |
|
Vor der Besteigung des göttlichen Berges ist die blutige Opferung eines Granatapfels unabdingbar :-)) |
|
Prächtige Aussicht, obwohl es heute diesig ist. Wohl denen, die hier bei klarem Wetter unterwegs sein dürfen! |
|
Der Gipfel mit der Bergstation der Seilbahn gelangt in Sichtweite |
|
Wir haben es geschafft ... |
|
Tiefblick nach Kemer |
|
... und kommen zu für einen Berggipfel nicht alltäglichen Genüssen ;-) |
|
Ein Ausflugsbus aus Kemer hat uns freundlicherweise bis zur Stichstrasse nach Phaselis mitgenommen. In der Dämmerung setzen wir unseren Weg fort bis zum Etappenziel "Sundance Nature Ressort" zwischen Phaselis und Tekirova. |
02.11.2013
Wer ab Cirali, wie unser finnisches Pärchen, die Küstenvariante des Lykischen Weges gewählt hat, wird obligatorisch nach Passieren des gesichtslosen Pauschalferienortes Tekirova zum Sundance Nature Reserve kommen. Die geschmackvoll hergerichtete Anlage ist die Traumvariante eines Backpackertreffs. Genial gelegen an einer Bucht mit Flussmündung und Strand, wo sich praktisch nur die Gäste der Ranch herumtreiben, dahinter dehnen sich Wälder aus und eine große Wiese, auf der Pferde weiden. Im Hintergrund erhebt sich mächtig der Tahtali Dar. Die Ausgrabungsstätte Phaselis ist nur wenige Gehminuten von der Ranch entfernt. Man kann dort ohne Weiteres den ganzen Tag verbringen, in den Ruinen herumstöbern und ein Bad an den Stränden dort nehmen.
|
Das "Sundance Nature Ressort" hat eine traumhafte Lage an einer Flussmündung zum Meer, das antike Phaselis kann in wenigen Gehminuten erreicht werden. |
|
Hier mundet das Frühstück! |
|
Im antiken Hafenbecken von Phaselis kann auch gebadet werden |
03.11.2013
Nach einem nicht allzu langen Fußmarsch nach Tekirova geht´s per Dolmus nach Antalya. Den letzten Abend unseres Wanderurlaubs verbringen wir in der uns inzwischen lieb gewordenen Altstadt mit Unterkunft in der altbewährten Adresse, der "Pansyion White House Garden". Rückflug nach Zürich anderntags frühmorgens.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen